Die Elektrizitätswerke des Kantons Zürich EKZ werden sich gemäss einer Medienmitteilung von heute durch eine Kapitalerhöhung an der am Abgrund stehenden Bündner Repower beteiligen und dafür einen hohen Preis bezahlen. Die Motive sind unklar.
Bereits ist der Kanton Zürich über die Axpo massgeblich an Repower beteiligt. Als Grossaktionär hat die Axpo die gescheiterte Strategie der ehemaligen Rätia Energie mitgetragen. Durch einen Zukauf hatte erst 2012 der Konzern seinen Anteil an Repower signifikant erhöht.
Dass sich die EKZ an der Repower beteiligen will, ist seit einigen Tagen bekannt. Heute (30. Mai) teilten EKZ, Repower und die UBS nun in einer Medienmitteilung gemeinsam mit, dass dies nicht über einen Aktientransfer, sondern über eine Kapitalerhöhung geschehen wird. Auch die UBS Clean Energy Infrastructure Switzerland wird partizipieren.1
Es fällt schwer, einen Grund zu erkennen, warum der Kanton Zürich, der mit seiner grossen Beteiligung an der Axpo bereits zu sehr mit Repowers Verlusten belastet ist, sich an der in grossen Schwierigkeiten steckenden Repower beteiligt.
Besser gesagt: Es fällt schwer, die Gründe anzuerkennen, denn UBS und EKZ begründeten die Beteiligung gemäss Energate so:
„Wir sind überzeugt, dass die Wasserkraft längerfristig wieder rentabel wird und wollen unsere Wertschöpfungsbereiche erweitern“, kommentierte der EKZ-CEO Urs Rengel […] „Für unsere Investoren ist die Beteiligung eine langfristige Investition in die Schweizer Wasserkraft“, sagte Roland Leuenberger, Verwaltungsrat der Energieinfrastrukturgesellschaft [UBS-CEIS]. (Energate)
Ausserdem ist, gemäss Berichterstattung in den Medien, die EKZ der Meinung, die Repower verfolge „mit der geplanten Neuausrichtung die richtige Strategie.“
Worauf — ausser auf Subventionen des Bundes — die Entscheidungsträger der EKZ und die Anleger der UBS ihre Zuversicht für die Wasserkraft stützen, ist dem Autor dieses Artikels ein Rätsel. Mehr dazu gibt es weiter unten, im Abschnitt Kommentar.
43 Franken soll eine neu emittierte Aktie kosten — 90 bzw. 60 Millionen werden EKZ bzw. UBS einbringen. Bestehende Aktionäre können Aktien zukaufen, worauf jedoch der Kanton und die Axpo verzichten.
Der Kanton Graubünden war vor der Fusion der Inhaberaktien mit Partizipationsscheinen mit 58,3 Prozent noch Mehrheitsaktionär der Repower gewesen. Die beiden neuen Grossaktionäre dürften zweifellos mittels eines Aktionärsbindungsvertrags eingebunden werden. Damit wird auch die EKZ für die weitere Entwicklung der Repower in der Verantwortung stehen — wie die Axpo, die den Niedergang der ehemaligen Rätia Energie mitverschuldet.
Erst kürzlich wurde die Repower dekotiert, angeblich um Kosten einzusparen. Die Aktien werden aber an der OTC-X der Berner Kantonalbank weiter gehandelt, zur Zeit für rund 40 Franken pro Stück. Die Repower zahlte in den vergangenen Jahren keine Dividende.
Repower-Finanzchef Stefan Kessler allerdings stellte klar, dass mit der neuen Struktur im Aktionariat nicht automatisch eine Verbesserung des operativen Ergebnisses zu erwarten sei. (NZZ)
Der Bündner Stromkonzern ist über Graubünden hinweg besonders wegen seiner Absicht bekannt, in Deutschland und Italien Kohlekraftwerke bauen zu wollen. Die Bündner Stimmbürger vereitelten mit der Volksinitiative Ja zu sauberem Strom ohne Kohlekraft diese Pläne bereit am 22. September 2013, wobei das Projekt in Deutschland schon vorher aufgegeben worden war. Im Zusammenhang mit dem Kohlekraftwerk in Kalabrien werfen die italienischen Behörden der Repower vor, sich mit den Mafiaclans über Bau des Kraftwerks geeinigt zu haben.2
Erst kürzlich, an der Generalversammlung vom 12. Mai, erklärte die Repower, die Projektgesellschaft für das Kohlekraftwerk in Kalabrien werde aufgelöst. Die Repower weigert sich seither aber beharrlich, dazu Stellung zu nehmen, ob die Liquidation auch tatsächlich eingeleitet sei und ob dies das Ende das umstrittenen Kohlekraftwerks bedeute.
Die Repower verlor mit ihrem Gaskraftwerk in Italien und gescheiterten Projekten für Gas- und Kohlekraftwerke 161 Millionen Franken. Die kumulierten Wertminderungen belaufen sich auf über 350 Millionen.3
Aus Zürcher Sicht ist kein guter Grund für eine überteuerte Aufstockung der Beteiligung des Kantons Zürich an einem Energieunternehmen auszumachen, das auf der Intensivstation liegt. Es ist erschreckend, dass ein Deal solcher Tragweite ohne Einbezug von Politik und Öffentlichkeit entschieden werden konnte.
Im Rahmen einer Neuausrichtung will das Bündner Energieunternehmen sein Gaskraftwerk in Italien verkaufen, das noch immer mit 100 Millionen in seinen Büchern steht, aber in den vergangenen Jahren kaum lief. Auch seine signifikanten Beteiligungen an Atomkraftwerken will Repower abstossen. Das Segment Markt Schweiz der Repower produziert fast einen Drittel seines Stroms aus Uran.
Ob der Verkauf des Gaskraftwerks und der Atombeteiligungen vertraglich vereinbart wurde, bevor die EKZ und die UBS sich zum Einstieg bei Repower verpflichteten, geht aus der jüngsten Verlautbarung nicht hervor.
Aus der Medienmitteilung lässt sich dagegen schliessen, dass das neue Aktionariat das äusserst defizitäre Italien-Segment der Repower aufrecht erhalten will.
Trotz der gescheiterten Strategie und der enormen Verluste sind Repowers Geschäftsleitung und der Verwaltungsrat seit 2010 praktisch unverändert geblieben. Nun soll aber, abgesehen von erwartungsgemässen Änderungen, mit Eduard Rikli der Präsident des Verwaltungsrats ersetzt werden. Wer Rikli als Präsident ablösen wird, wurde noch nicht bekannt gegeben.
Die Frage der Südostschweiz TV, ob die neuen Aktionäre Riklis Abgang verlangten, beantwortete Regierungsrat Mario Cavigelli — ganz seinem Stil entsprechend — zwischen umständlich ausweichend und gar nicht. Wer Repower kennt, kann Cavigellis Worte leicht interpretieren. (Für jemanden, der seit Jahren als einziger weit und breit öffentlich, in Leserbriefen und an Generalversammlungen Riklis Abgang forderte, weil er die Geschäftsleitung nicht im Griff hatte und die fehlgeleitete Strategie nicht anpasste, ist die Interpretation von Cavigellis Antwort erfrischend.)
Mario Cavigelli über den neuen Verwaltungsrat. | Südostschweiz TV. Ausschnitt. Quelle (Südostschweiz).
Repower arbeitet seit Jahren defizitär und musste zum Beispiel anfangs dieses Jahres eine Barsicherheit im Umfang von 81,2 Millionen Franken leisten, die sich auf 100 Millionen erhöhen kann, sollten die Strompreise weiter sinken.4
Aus der Sicht der Bündner, die nicht realisiert haben, wie prekär Repowers Situation ist, muss die Übernahme der ehemaligen Rätia Energie durch Zürcher Unternehmen wenn nicht wie ein Supergau, doch bestimmt wie ein schlimmes Déjà-Vu erscheinen, denn bei minimal angekündigter Neuemission addieren sich allein schon die Anteile von EKZ und UBS auf über 50%. Es sieht aus wie eine Übernahme des stolzen Bündner Energiekonzerns durch Unterländer zum Preis eines Schnäppchens.
Die Sicht eines informierten Zürchers muss jedoch eine ganz andere sein, wie im folgenden Kommentar erläutert wird.
Kommentar: Dass die EKZ reich ist, berechtigt sie nicht zu Fehlinvestitionen.
Gemäss der gemeinsamen Medienmitteilung soll die Kapitaleinbringung von EKZ und UBS dem Umbau der Repower dienen, einschliesslich dem Verkauf der Beteiligungen in Atomkraftwerke. Es ist aber zu befürchten, dass das neue Kapital primär dazu hinhalten muss, bei Repower klaffende Löcher zu stopfen. Allein das Abstossen der signifikanten Atombeteiligungen der Repower würde wohl einen grossen Teil des neuen Kapitals verschlingen — sofern diese Absicht mehr als nur eine taktische Behauptung ist.
Der UBS kann es weitgehend egal sein, wenn sie sich bezüglich der Zukunftsaussichten der Wasserkraft irrt, denn sie kann das Risiko auf ihre Anleger schieben, die inkompetenten Anleger im Irrtum belassen, hineinziehen, sozusagen.
Dem EKZ Verwaltungsrat kann es ebenfalls egal sein, wenn die Wasserkraft kein goldenes Ende hat und sich die Investition in Repower als Flop erweist, denn erfahrungsgemäss erleiden Verwaltungsräte, die einen Staat vertreten und dabei versagen — meist sind es Politiker wie Mario Cavigelli, Martin Schmid, Stefan Engler oder Luzi Bärtsch —, keinerlei Nachteile.
Dem Zürcher Steuerzahler sollte die Fehleinschätzung des EKZ Verwaltungsrats und die Investition in Repower hingegen nicht egal sein, auch weil die Repower nur am Rand ein Energieunternehmen mit Wasserkraftwerken ist, aber auch wegen der bestärkten mentalen Fixierung auf Wasserkraft.
Bevor die 100% erneuerbare Energie Strategie der Repower nicht umgesetzt ist, sollte eine Beteiligung der EKZ eigentlich nicht in Frage kommen. Mindestens hätte die Umsetzung dieser Veränderungen der Repower vertraglich vereinbart werden sollen. Andernfalls riskiert die angekündigte Kehrtwende der Repower zu Wunschdenken und Makulatur zu verkommen. Bereits bei der Publikation des jüngsten Geschäftsberichts hiess es lediglich noch, der Verkauf der Kraftwerke sei geplant. Kurz danach, an der Generalversammlung wurde behauptet, der Verkauf beider Anteile sei in fortgeschrittenem Stadium, was bei Repower aber nicht viel bedeutet — erfahrungsgemäss.
Das Konsortium der vier Grossaktionäre— Repower nennt sie Ankeraktionäre — hat offenbar vereinbart, dass die Repower an den Wasserkraftwerken festzuhalten hat, koste es was es wolle. „Wir wollen unsere Wasserkraftwerke und die Beteiligung an anderen Wasserkraftwerken halten“, wurde Kurt Bobst am 31. Mai in der Südostschweiz zitiert. Dies könnte sich als schwere Hypothek erweisen, denn es gibt, Expertenmeinung hin oder her, keinen objektiven Grund, warum die Wasserkraft „langfristig hoch retabel“ sein sollte, wie Hanspeter Guggenbühl in derselben Ausgabe der Südostschweiz den Einstieg von EKZ und UBS bei der Repower kommentierte.
Es spricht nichts dafür, dass Wasserkraftwerke erneut zu Quasi-Bancomaten werden, aber etwas spricht dagegen: Die Preisentwicklung von Wind- und besonders von Sonnenstrom. Diese hat schon die alte Strategie der Repower mit fossilen und Pumpspeicherkrafwerken ruiniert und sie wird auch die neue Strategie ruinieren, die einseitig auf Wasserkraftwerke setzt.
Der ganze Strom, den die Repower in eigenen Wasserkraftwerken und Beteiligungen produziert, es sind 1’150 Gigawattstunden, könnte gemäss einer aktuellen Studie auch auf den Dachflächen in Graubünden produziert werden — und dies demnächst klar günstiger als in Wasserkraftwerken.
Aus Zürcher Sicht ist kein guter Grund für eine überteuerte Aufstockung der Beteiligung des Kantons Zürich an einem Energieunternehmen auszumachen, das auf der Intensivstation liegt. Es ist erschreckend, dass ein Deal solcher Tragweite praktisch ohne Einbezug von Öffentlichkeit und Politik beschlossen werden konnte.
Repowers CFO kommentierte gemäss der NZZ an der Medienkonferenz von heute früh (30. Mai) die Situation korrekt, als er sagte, dass mit der neuen Struktur im Aktionariat nicht automatisch eine Verbesserung des operativen Ergebnisses zu erwarten sei.
Anmerkungen
- Medienmitteilung: http://www.repower.com/gruppe/medien-investoren/medien/medienmitteilungen/2016/repower-plant-kapitalerhoehung-und-erhaelt-mit-ekz-u-1052/
- Vorläufige Aufzeichnungen von Quellen bezüglich der Vereinbarung mit den Mafia-Clans stehen schon jetzt hier zur Verfügung: http://bit.ly/1UdAZtO
- Vgl. http://bit.ly/selbstverschuldet mit einer Tabelle mit Wertberichtigungen. Ausserdem wurden gemäss Geschäftsbericht im Jahr 2015 50 Millionen auf dem Gaskraftwerk wertberichtigt, also in der zweiten Jahreshälfte weitere 22 Millionen.
- Vgl. S. 103 in Repowers Geschäftsberichts 2015.
Berichte von Leitmedien
Die NZZ mit Kommentar, Cash (auch hier), Energate und die Südostschweiz (mit eingebetteten Video Interviews mit Kurt Bobst und Mario Cavigelli) publizierten aufschlussreiche Artikel zum Thema.
Aktualisiert am 31. Mai 2016, 17.40 Uhr