Die Credit Suisse spricht gerne darüber, wie ernst sie den Klimawandel nimmt, recycelt Papier, macht Videokonferenzen und kompensiert Flüge mittels Klima-Ablasshandel. Mit ihrem eigentlichen Geschäft, heizt sie derweil das Klima an — und das zählt.
Die Pariser Klimakonferenz hat festgehalten, dass die CO2-Emissionen in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts weltweit auf Null gehen müssen. Dies bedeutet, dass keine längerfristig aktive CO2-Infrastruktur mehr gebaut werden soll und also auch nicht mehr finanziert werden soll.
Null Emissionen bedeutet auch das Ende der Kompensationsidee, dem Ablasshandelsgeschäft, mit dem manche so tun, als ob sie ihre Emissionen ungeschehen machen könnten, wenn andere weniger emittieren. Seit 2010, so brüstet sich die Credit Suisse auf ihrer Klima-Seite, sei die Grossbank an all ihren Standorten weltweit «treibhausgasneutral».
Das Engagement einer Grossbank im Klimabereich misst sich aber weder an Lippenbekenntnissen noch an vergleichsweise irrelevanten, selbstzentrierten Handlungen. Es misst sich einerseits:
- an den Beschränkungen, die sich die Bank bei der Finanzierung von langlebiger fossiler Infrastruktur auferlegt.
Und andererseits misst sich das (verkehrte) Klima-Engagement:
- in Millionen oder Milliarden, welche die Bank in langlebige fossiler Projekte steckt.
Sectoral guidelines aber corporate finance
Die Credit Suisse verzichtet gemäss ihren internen Sektor-Richtlinien weiterhin nicht auf die Finanzierung von Kohlekraftwerken. Die Bank bekräftigt sogar ihren Glauben an die Zukunft der Kohlekraft — natürlich auch gegenüber potenziellen Investoren: Kohlekraftwerke seien noch bis in «absehbare Zukunft» in Betrieb, schreibt die Credit Suisse, dies obschon Kohlekraftwerke unter verschiedenen Energieoptionen «oft als besonders umweltschädlich angesehen» würden — als ob die Schädlichkeit von Kohlekraftwerken Ansichtssache wäre. 1
Nur gerade in OECD-Ländern mit hohem Einkommen will die Credit Suisse keine neuen Kohlekraftwerke mehr finanzieren, und auch dort lässt sie sich die Hintertür weit offen, die Banken fast systematisch aus Haupteingang benutzen: Geld von der Credit Suisse kann somit weiterhin sogar für Kohlekraftwerke in sehr reichen Ländern verwendet werden, ausser ein bestimmter Kredit ist mehrheitlich dafür bestimmt. 2
Zwei winzig kleine Schritte in die richtige Richtung hat die Credit Suisse im letzten Jahr immerhin gemacht. Sie schloss endlich in ihren Sektorrichtlinien die Finanzierung von Mountain Top Removal Mining aus, eine sehr umstrittene Bergbaupraxis, die aber ohnehin am verschwinden wird, weil sie auch rein wirtschaftlich nicht mehr mithält.
Keine neuen Minen für Kraftwerkskohle !?
Auch komplett neue Minen für Kraftwerkskohle will die Credit Suisse nicht mehr finanzieren — zumindest nicht, wenn das Geld offiziell in die Projekte fliesst. Allerdings: Begann der Review Prozess vor dem Erlass der Richtlinie, soll die Finanzierung von neuen Kohleminen dennoch möglich sein.
Genau das könnte bezüglich der Mine bei Amasra der Fall sein, einem Unesco Welterbe-Ort an der türkischen Schwarzmeerküste. Seit 12 Jahren bekämpfen die Anwohner dieses Projekt, dessen Finanzierung die Credit Suisse nun dennoch prüft.
Ausserdem: Wenn das gesprochene Geld nicht mehrheitlich in die Eröffnung einer neuen Mine für Kraftwerkskohle bestimmt ist, sondern nur zum Teil: kein Problem. Das Geld kann dennoch fliessen und die Mine finanzieren.
Damit liegt das Kernproblem mit den Sektorrichtlinien blank: Die Banken finanzieren ohnehin nur bescheiden Projekte direkt und die scheinbare Selbstbeschränkung mittels Richtlinien wird zum Feigenblatt. Meistens werden die Projekte einfach via die beteiligten Unternehmen finanziert, welche die Kredite für ihre allgemeine Geschäftstätigkeit erhalten. Die Sektor-Richtlinien sind darum schnell einmal irrelevant — genau wie bei neuen Kohlekraftwerken, sogar in OECD-Ländern mit hohem Einkommen (vgl. weiter oben). Die traditionelle, durch die Gesetzgebung gestützte Verschwiegenheit der Branche leistet ein Übriges.
Die Credit Suisse und die Dakota Access Pipeline
Exemplarisch zeigt sich dieses Problem an der DAPL, der Dakota Access Pipeline, dem zur Zeit weltweit umstrittensten Projekt für langlebige fossile Infrastruktur.
Die Credit Suisse behauptete zuerst, in keiner Weise am Pipeline Projekt beteiligt zu sein. Das war anfangs Dezember 2016, gegenüber Greenpeace gewesen. Und sogar gegenüber den Medien behauptete es die Grossbank: «Die Credit Suisse ist nicht an der Projektfinanzierung der Dakota-Access-Pipeline beteiligt. In diesem Zusammenhang erhobene Vorwürfe sind falsch und werden von der Bank entschieden zurückgewiesen.»
Kurz darauf korrigierte sich die Bank gegenüber der Umweltorganisation und räumte schriftlich ein, dass sie schon 2015 als «Joint Arranger» eines 850 Millionen USD-Kredits agiert hatte und dabei selbst 52 Millionen beisteuerte. Das Geld ging an die Energy Transfer Equity, die Hauptbesitzerin der Pipeline.
Damit aber nicht genug. Während das Engagement der Credit Suisse betreffend DAPL bereits heiss öffentlich diskutiert wurde, betätigte sich die Bank erneut als Kreditvermittlerin bei Vergaben über ingesamt 2,7 Milliarden US-Dollar an die DAPL-Firmen Energy Transfer Partners und Energy Transfer Equity und gewährte deren Tochter, der Sunoco Logistics, einen Kontokorrentkredit von 50 Millionen.
Systematisch Milliarden für extreme fossile Projekte
Zwischen 2013 und 2015 gewährte die Credit Suisse Milliarden an Firmen die in den Bereichen Kohlebergbau (1,98 Mrd.), Kohlekraftwerke (5,14 Mrd.), extreme Ölförderung (4,86 Mrd.) tätig sind oder Erdgasterminals bauen, die in den USA zur Verschiffung von Erdgas aus Fracking-Operationen dienen (9 Mrd.). Für eine Bank vom Kaliber der Credit Suisse sind das Spitzenwerte. 3
Heute ist die Generalversammlung der Credit Suisse. Wir werden sehen, ob die Bank sich in Richtung Verantwortungsbewusstsein entwickelt und das Klimaproblem ernst nimmt.
Es bleibt zu hoffen, dass es dabei nicht nur um die horrenden Saläre, Boni und Honorare von Geschäftsleitung und Verwaltungsrat geht, denn ohne Druck wird sich die Grossbank kaum zu effektivem Klimaschutz bewegen lassen.
Anmerkungen
- Summary of Credit Suisse’s Sector Policy and Guidelines: «Coal-fired power will be in use for the foreseeable future despite the fact that coal is widely seen as having the greatest environmental impacts across its value chain as compared to other energy choices.»
- «In high-income OECD countries, Credit Suisse will not provide any form of financing that is specifically related to the development of a new coal-fired power plant, or where the majority of the use of proceeds is intended for a new coal-fired power plant, unless it applies carbon capture and storage technology (CCS).» Summary of Credit Suisse’s Sector Policy and Guidelines.
- Shorting the Climate. Fossil Fuel Finance Report Card 2016. Rainforest Action Network / Sierra Club / Banktrack / Oilchange International.(Download)