Die Bündner Stimmbürger haben heute in einer zweiten und letzten Abstimmung die Anti-Kohle Initiative gutgeheissen. Ein Investitionsverbot in Kohlekraftwerke durch Unternehmen, an denen der Kanton beteiligt ist, wird nun in der Verfassung verankert. Die Entscheidung fiel deutlich aus, obschon Repower als Folge der ersten Abstimmung 2013 bereits versprach, nicht in Kohlekraftwerke zu investieren. Das Energieunternehmen, ist mehrheitlich im Besitz des Kantons. Es soll bis zum Ende dieses Jahres aus dem Projekt in Kalabrien auszusteigen. In Saline Joniche, ganz im Süden der italienichen Halbinsel, projektiert Repowers Tochterfirma SEI S.p.A ein Steinkohlekraftwerk mit 1,3 Gigawatt Produktionskapazität.
Mit dem Ergebnis des Urnengangs sind jedoch die Probleme mit Repower weder in Italien noch in der Schweiz gelöst. Die ehemalige Rätia Energie wendet bei der Projektentwicklung des Kohlekraftwerks in Kalabrien immer wieder zweifelhafte Methoden an. Repower bleibt das Enfant Terrible der Schweizer Energiebranche. Geschäftsleitung und Verwaltungsrat profilieren sich mit ihrer Ablehnung des Zubaus neuer erneuerbarer Energieanlagen. Das ehemalige Musterunternehmen wird in ihrer unzeitgemässen Haltung zuverlässig von der Bündner Regierung unterstützt — obschon sich der Bergkanton damit selbst schadet.
Mit der heutigen Abstimmung endet eine lange Phase der Zurückhaltung derjenigen Klimaschützer, die den Widerstand in Graubünden gegen die Repower-Kohlekraftwerke reanimierten. Retropower.ch ging heute mit der Publikation des Abstimmungsergebnisses online. Die Website wird weiter ausgebaut werden, um über das vielfältige Fehlverhalten der Schweizer Strombranche und speziell des Graubündner Energieunternehmens Repower zu berichten.
Mit einem Anteil von 81 Prozent Ja-Stimmen haben die Bündnerinnen und Bündner heute einem Verfassungsartikel zugestimmt, in dem steht:
“ Der Kanton beteiligt sich nicht an Unternehmen, welche Investitionen in Kohlekraftwerke tätigen. Im Rahmen seiner rechtlichen und politischen Möglichkeiten sorgt er dafür, dass Unternehmen mit Beteiligung des Kantons auf Investitionen in Kohlekraftwerke verzichten. „
Weltweit erstmalig wurde damit ein Verzicht auf Kohlekraftwerke in einer Verfassung verankert. Der Entscheid betrifft das Energieunternehmen Repower, das mehrheitlich im Besitz des Kantons ist.
Anders als bei der ersten Abstimmung, welche die Befürworter der Initiative 2013 nur äusserst knapp gewannen, war die Vorlage diesmal nicht umstritten.
Das Abstimmungsresultat ist erfreulich, aber in der Sache ist es unerheblich. Repower wird das Projekt in Kalabrien weiterentwickeln. Auch der hohe Anteil Ja-Stimmen wird daran nichts ändern. Jedoch: Bereits nach dem Volksentscheid von 2013 legte die Kantonsregierung der Repower nahe, auf Kohlekraftwerke zu verzichten. Die Firma versprach wenig später, bis zum Ende dieses Jahres ganz aus dem Projekt in Kalabrien auszusteigen.
Aus dem Projekt Kohlekraftwerk Brunsbüttel, Schleswig-Holstein, war Repower schon im Frühling 2012 ausgestiegen. Noch im gleichen Jahr wurde das Projekt aufgegeben.
Ob nach dem Ausstieg der Repower die Planung des umstrittenen Kohlekraftwerk in Saline Joniche, Kalabrien, weitergeht, wird sich zeigen.
Repower wendet in Kalabrien immer noch seltsame Methoden an
Trotz wiederholter scharfer Ablehnung des Projekts durch die Region Kalabrien und die Gemeinden um den Standort des geplanten Kraftwerks entwickelt die Repower-Tochtergesellschaft SEI das Kohlekraftwerkprojekt in Saline Joniche mit Entschlossenheit:
- SEI/Repower ficht die vom Verwaltungsgericht angenommenen Einsprachen gegen die Erteilung von Teilbewilligungen des Kraftwerks an.
- Die Gesellschaft hat sich um eine Hafenkonzession in Saline Joniche bemüht und diese auch erhalten.
- SEI/Repower hat eine grosse Zahl von Enteignungen angekündigt, v. a. für den Bau von Übertragungsleitungen.
Bei der Projektentwicklung wendet Repower sehr zweifelhafte Methoden an. Einige junge Beispiele sind:
- Fabio Bocchiola, Chef von Repower Italien und der SEI, verklagte 4 Opponenten des Kraftwerks auf 4 Millionen Euro Schadenersatz. Zur öffentlichen Beschuldigung der Angeklagten schreckt die Repower nicht davor zurück, zu lügen und zu verleumden. Das Urteil steht noch aus.
- Antonio „Franco“ D’Aquaro, der zweifelhafte Ex-Berater von SEI/Repower, verklagte zusätzlich den Kohlegegner Paolo Catanoso. Das Verfahren wurde kürzlich auf Antrag der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten archiviert, denn der langjährige Gegner des Projekts hatte lediglich in Graubünden gesagt, was in Kalabrien schon lange bekannt war.
- Weiterhin agieren in Kalabrien von Repower aufgebaute Pro-Kohle Komitees und Repower arbeitet mit ihnen zusammen. Egal wie absurd der Vorwurf ist und egal wie sehr er auf jene zutrifft, die ihn machen, werfen Exponenten der Pro-Kohle Komitees Gegnern des Kohlekraftwerks vor, mit der Mafia zu arbeiten oder Mafiosi zu sein.
Domenico Foti, Präsident des Pro-Kohle Komitees ‚Vedere Chiaro‘, und Assuntino Benedetto stören eine Pressekonferenz des Coordinamento Area Grecanica per la difesa della saltue e del territorio. Am Schluss der Szene beschimpft Assuntino Benedetto die Kohlegegner des Coordinamento und beschuldigt sie, Faschisten und Mafiosi zu sein.
Repower steht der Energiewende auf dem Fuss
Die Repower ist weiterhin das Retro-Unternehmen der Schweizer Strombranche. Die Geschäftsleitung verurteilt die Förderung von neuen erneuerbaren Energien, möchte aber solche Förderung für die Projekte Lagobianco (Pumpspeicherung) und Chlus (Wasserkraft) beanspruchen. Sogar für das unterdessen verkaufte Projekt Gaskraftwerk Leverkusen fand Repower, Subventionen seien gerechtfertigt, und wollte solche finanzielle Unterstützung beanspruchen.
Repower treibt grossen Aufwand mit dem Ziel, die kostendeckende Einspeisevergütung für Strom aus erneuerbaren Energien durch ein Quotenmodell zu ersetzen. Bei einer Quotenregelung müsste jedes Energieunternehmen einen Anteil des verkauften Stroms aus erneuerbaren Energien beziehen, wobei die Herkunftsnachweise gehandelt würden. Die Repower, die in der Schweiz mehrheitlich aus Wasserkraft produziert, erhofft sich dadurch einen Vorteil. Der Ausbau der neuen Erneuerbaren würde aber wohl stark gebremst werden. Der Kanton Graubünden unterstützte die Forderung eines Quotenmodells sogar mit einer Standesinitiative beim Bund — man hat bisweilen den Eindruck, der Kanton werde von Repower regiert.
Die Behauptung der Repower und des Kantons, das Quotenmodell wäre marktnah, ist sehr bemerkenswert, denn ein planwirtschaftlicherer Ansatz und eine ungerechtere Regelung sind kaum denkbar. Profitieren würden diejenigen Unternehmen, die schon Wasserkraftwerke haben — in der Schweiz. (Unterdessen würde die Repower in Italien weiterhin Strom aus Gas produzieren. Im Gaskraftwerk Teverola kann die Bündner Firma viel mehr Strom generieren als in ihren eigenen Wasserkraftwerken.)
Auch die Behauptung der Repower, die Förderung von Anlagen, die erneuerbare Energien nutzen, würde der Rentabilität der Wasserkraft schaden, ist in diesem Zusammenhang falsch. Es sind nicht die Förderung oder das Fördermodell an sich, welche die Strompreise drücken. Es spielt keine Rolle, aus welchem Grund oder „Modell“ die Anlagen entstehen, die erneuerbare Gratisenergie verwerten — oder sehr günstige Inputenergie verwerten, wie Nuklearbrennstoff oder Kohle. Diese Anlagen bieten ihre Stromproduktion auch dann an, wenn die Preise an der Börse tief sind. Ob also eine Einspeisevergütung oder ein Quotenmodell zu einer bestimmten Kapazität solcher Anlagen führt, ist für die Preissetzung an der Strombörse unerheblich.
Mit dem Einspeisemodell fliesst besonders viel Geld ins sonnenreiche Graubünden, wo Sonnenenergieanlagen rentabler sind als im Mittelland. Die Einspeisevergütung ist schon jetzt eine Netto-Einnahmequelle für Graubünden. Statt auf das aussichtslose Quotenmodell würden der Kanton Graubünden und die Repower besser auf eine starke Einspeisevergütung setzen.
Retropower.ch geht online
Es sollte nicht der falsche Eindruck entstehen, das heutige Abstimmungsresultat bedeute das Ende der siebenjährigen Auseinandersetzung um den Plan der Repower, mehr als 3 Gigawatt Stromerzeugungskapazität in neuen Kohlekraftwerken zu verursachen. Das Ende der Auseinandersetzung um die Anti-Kohle Initiative markiert jedoch das Ende einer langen Phase der Zurückhaltung der mittelländischen Klimaschützer. Nach intensiven Anfängen glaubten die linken und grünen Parteien Graubündens und die Umweltorganisationen bald nicht mehr daran, dass Repowers Absicht, in Deutschland und in Italien ein Doppelblockkraftwerk zu bauen, um sich daran zu beteiligen, vereitelt werden kann. Ab 2009 reanimierten „Aktivisten“ aus dem „Unterland“ darum die Anti-Kohle Kampagne in Graubünden.
Es ist absehbar, dass die Bündner nun glauben wollen, die Sache sei mit dem heutigen Abstimmungsresultat erledigt. Und, dass sie erneut — oder sollte ich schreiben weiterhin — nicht den Mut haben werden, Repower zu kritisieren, egal wie gerechtfertigt und nötig es ist. Um das absehbare Vakuum zu füllen, geht mit der heutigen Annahme des Anti-Kohle Artikels 83a in der Bündner Kantonsverfassung retropower.ch online.
Titelbild: Bündner Anti-Kohle Initiative: endgültig angenommen. Repower-Problem: weiter ungelöst. Retropower.ch ist online.
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