Repower und Pierin Vincenz: ein grosses Fragezeichen.

Ist Pierin Vincenz eine gute Wahl als VR-Präsident der Repower?

Heute wurde Pierin Vincenz, der ehemalige CEO der Raiffeisen Schweiz, als designierter Präsident in den Verwaltungsrat der Repower gewählt. Hat er das richtige Profil für die Krise, in der Repower weiterhin steckt? 

Ein Draufgänger, ein „mutiger Chef“ und ein Bündner, also der richtige Mann für die schwierige Aufgabe an der Spitze der Repower. Dies war der Grundtenor eines fast schon euphorischen Kommentars in der Südostschweiz, der wichtigsten Zeitung Graubündens — geschrieben durch den einzigen Journalisten des Medienhauses, der es in der Vergangenheit wagte, das bisherige Gebaren der Repower zu hinterfragen.


„Mein Vertrauen in die Verantwortlichen in der Energiebranche und in die Stimmbürger ist gross.“ (Pierin Vincenz, 2013)


Vincenz geniesst das, was er den gescheiterten Verantwortlichen der Energiebranche grosszügig zugesteht, selbst nicht zu knapp: viel Vertrauen.

Ein Ex-Banker soll den Bündner Energieriesen retten. Bericht von Stefan Bisculm in der Südostschweiz am 18. Juni 2013.
Ist ein blauäugiger Ex-Banker der richtige Mann, um den Bündner Energieriesen retten?  | Bericht der Südostschweiz nach der Nominierung, also der faktischen Wahl, von Pierin Vincenz zum Präsidenten des Verwaltungsrats der Repower. Ausschnitt. Vergrössern.

Aber ist ein Draufgänger, der primär auf „Vertrauen“ setzt, das, was die Repower nun braucht?

Ein „Blauäugiger“ soll die Repower retten? (vgl. Anmerkung)

Unter den an der heutigen ausserordentlichen Generalversammlung anwesenden Aktionären drückten erstaunlich viele den Nein-Knopf, als es um Vincenz‘ Proforma-Wahl ging.

„Prognosen sind schwierig, besonders, wenn sie die Zukunft betreffen“, heisst wohl der passende Spruch. Was Vincenz der Repower bringt, Prosperität oder Verderben, werden wir noch lange nicht mit Sicherheit wissen.

Und natürlich spielt eine Rolle, was man vom neuen VR-Präsidenten für den Konzern erwartet: Beschränkung aufs Kerngeschäft oder Überdehnung; Sicherheit oder Risiken.

Je nach Sichtweise gibt es gute Gründe, Vincenz‘ Wahl kritisch zu beurteilen:

Man würde denken, dass ein beharrlicher Schaffer für das VR-Präsidium gesucht wurde …
… und nicht einer der gerne Showstar geworden wäre — und fast wie ein solcher agierte Pierin Vincenz als Raiffeisen CEO.

Banker mit Showstar-Ambition. Pierin Vincenz bei Schawinski, 2012. Auszug. Ganzes Interview.

Ein Vorbild würde man erwarten, das hineinkniet, um die Repower zu retten, …
… und nicht einen erklärten Lebensgeniesser, der in einer angespannten Situation nach der Übernahme der kriminellen Wegelin (weissgewaschene Notenstein) — zusammen mit der Leiterin des Rechtsdiensts der Bank — zufällig auch seine Ehefrau — für 2 Monate ins Sabbatical abtaucht.

Man würde sich einen wünschen, der Risiken und die Nähe zur Kriminalität meidet, …
… nicht einen, der solche Risiken sucht und generiert, bis sie untragbar werden.  

Und man würde sich einen wünschen, der das Geschäft fokussiert und redimensioniert.
Vincenz erhöhte primär den Umsatz und die Risiken der Raiffeisen, ähnlich wie es Repower tat. „Was bei all dem Wachstum und den vielen Initiativen unter dem Strich übrig bleibt, ist erstaunlich wenig“, schrieb das finanzplatzkritische Portal Inside Paradeplatz. In einer Express-Aktion übernahm Vincenz eine kriminelle Privatbank mit potenziell schwerwiegenden Altlasten zu einem hohen Preis. Auch solches Gebaren erinnert an dasjenige der Repower.

Man würde einen erwarten, der nicht zögert, die Geschäftsleitung zu ersetzen.
Bei der Übernahme von Wegelin und anschliessender Wiedergebut als Notenstein berief Vincenz mit Adrian Künzi einen Manager der alten Wegelin, mit potenziell problematischem Hintergrund, an die Spitze der Bank. Künzis Strategie, wie könnte es unter Vincenz anders sein: Wachstum statt Gewinn. Das Resultat aber, unter dem Strich auch nach Jahren: „keinen Schritt weiter„. 

Er sollte die exzessiven Saläre der GL zu kürzen. Das Unternehmen kann sich diese unanständigen Saläre eigentlich nicht mehr leisten.
Pierin Vincenz ist, wie kaum ein anderer CEO, durch überrissene Bezüge aufgefallen. Als schliesslich auch ihm klar wurde, dass mehr als 4 Millionen für einen Genossenschafts-CEO unangemessen sind, einigte man sich auf 2 Millionen. Darüber hinaus liess er sich aber noch weitere 400’000 Franken als Pensionskassenbeiträge einzahlen, im Vergleich zum Salär ein Spitzenwert. Vincenz war nicht nur mit sich selbst grosszügig: „Unter seiner Führung hat die Raiffeisen-Gruppe ein Salärsystem eingeführt, das die gesamte Spitze vergoldet“, und: „Die 7-köpfige Geschäftsleitung erhielt 7,8 Millionen, hinzu kommen stolze 3,2 Millionen PK- und übrige Sozialleistungen“, wurde hier berichtet.  

Man würde einen erwarten, der das Potenzial der Energiewende erkennt und das gravierendste Umweltproblem einzuordnen weiss, das die Energiewirtschaft verändert.
Am 12. September 2013 setzte sich Vincenz mit einem Leserbrief in der Südostschweiz dafür ein, dass der Repower der Bau eines Doppelblock-Kohlkraftwerks erlaubt wird, das er als „verantwortungsvolle Energie— und Klimapolitik“ umschrieb. 

Man würde einen erwarten, der nun auf Kontrolle statt auf falsches und gescheitertes Vertrauen setzt.
Der letzter Satz seines Leserbriefs fasst Vincenz‘ Haltung zusammen: „Mein Vertrauen in die Verantwortlichen in der Energiebranche und in die Stimmbürger ist gross.“ Bezüglich der Stimmbürger war sein Vertrauen gerechtfertigt gewesen, wenn auch nicht in seinem Sinn. Dass er den Verantwortlichen zu diesem Zeitpunkt grosses Vertrauen aussprach, zeigt, wie sehr neben den Schuhen er stand.

Pierin Vincenz, immerhin das muss man anerkennen, hat keine Hemmungen, sich zu äussern, …
… auch dann, wenn er keine Ahnung hat.

Seine Wahl ist nicht ohne Ironie: Dank des Irrtums, den er öffentlich vertrat (Vertrauen in die Verantwortlichen) und dem Beinahe-Konkurs der Repower wird er nun VR-Präsident.

Sein Leserbrief hat zweifellos Mario Cavigelli gefallen.

„Ein Telefon von Regierungsrat Mario Cavigelli hat ausgereicht und schon war der Sitz im Verwaltungsrat der Repower besetzt.“ berichtete das Schweizer Radio. Vincenz sei der einzige Kandidat gewesen, und man habe auch niemanden zusätzlich angefragt, so habe sich Cavigelli geäussert. Vincenz sei der richtige Mann für diesen schwierigen Job und schliesslich kenne er, Cavigelli, Vincenz gut von der Raiffeisenbank und man habe auch lange zusammen Militär gemacht.

Es irrt sich also, wer glaubt, dass die Besetzung des wegen der akuten Probleme bei Repower vielleicht wichtigsten Jobs im Kanton Graubünden die Folge eines gründlichen Auswahlverfahrens gewesen wäre.

Immerhin wissen wir jetzt zweifelsfrei wo das gravierendste Governance-Problem der Repower lokalisiert ist: Am Stadtgartenweg 11 in Chur, dem Regierungssitz von Mario Cavigelli.

Anmerkung

Im Vorfeld der Abstimmung um die Bündner Volksinitiative «Ja zu sauberem Strom ohne Kohlekraft» wurde in mindestens einem Leserbrief behauptet, es wäre „blauäugig“, der Repower den Bau des in Kalabrien geplanten Kohlekraftwerks zu verbieten. Dabei war auf der anderen Seite die „Blauäugigkeit“ problematisch. Das blinde Vertrauen in die Fähigkeiten und das Urteilsvermögen von Geschäftsleitung und Verwaltungsrat erwiesen sich als sehr unvorteilhaft, was weniger als drei Jahre später zweifelsfrei festgestellt werden kann.

Die häufige Wiederholung der Argumente und sogar der Wortwahl und der häufig gleiche Stil lassen eine Ghostwriterin hinter vielen der Leserbriefe der Bündner Kohlekraftbefürworter vermuten. Die Kommunikationsberaterin und FDP Grossrätin Vera Stiffler dürfte oft in die Tasten gegriffen haben, das suggerierte auch ein Beitrag des Schweizer Radios („Sie organisiert den Auftritt und hilft beim Schreiben von Leserbriefen“). Dazu passt, dass ausgesprochen viele bürgerliche Grossräte motiviert werden konnten, Leserbriefe gegen die Initiative einzureichen.

 

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