Gemäss Repower liegt die Schuld an der Krise des Unternehmens bei Deutschland und Italien mit ihrer Förderung der erneuerbaren Energie und dem Euro/Franken-Kurs — und neu sind auch die Kohlekraftwerke der anderen Energieunternehmen schuld. Der Opposition gegen die Kohlekraftwerke, die Repower wie kein anderes vergleichbares Unternehmen selbst verursachen wollte, wurde eine ideologische Haltung unterstellt. Versagen wegen falscher Ideologie oder gar Schuld bei sich selbst zu erkennen, liegt den Verantwortlichen bei Repower fern. Dieser Kommentar zum Bericht «Repower: Krise ist selbstverschuldet» beleuchtet, mit welcher Geisteshaltung die Repower-Führung das Unternehmen in die Krise steuerte.
Auf dem falschen Pfad festgefahren
Mit dem Bau des Kraftwerks in Teverola, entschied sich Repower für den Einstieg in die Stromproduktion aus fossiler Energie. Mit seinem Gaskraftwerk in Italien kann der Bündner Energiekonzern weit mehr Strom produzieren als mit all seinen anderen Kraftwerken zusammen. Was nach Repowers Einstieg in die klimaschädliche Stromproduktion nicht mehr eintreten durfte, nämlich eine politische Rahmensetzung zum Schutz des Klimas, würde auch nicht eintreten, glaubte man bei Repower. Andere Meinungen, widersprechende Fakten und schon bestehende Anzeichen für Klimaschutz und Energiewende wurden übersehen oder wider besseres Wissen verdrängt.
Die Ideologie, das heisst, die an eine bestimmte soziale Gruppe gebundene Denkweise, überwog. Repowers Führungsmannschaft glaubte, wenn ihr selber ein moralischer Wegweiser fehle, würde ein solcher auch der Politik und der Bevölkerung fehlen. Weil sie selbst keine dringende Notwendigkeit für Alternativen zur fossilen Stromerzeugung wahr nahm, glaubte sie, es würde weder eine Notwendigkeit noch eine Alternative geben.
Die Aussage: „Es braucht noch eine Generation fossiler Kraftwerke“, wurde von den Konzernverantwortlichen wie ein Sermon verwendet. Alles gut gemeinte Zureden vermochte den falschen Glauben nicht zu verändern. (CEO Kurt Bobst; Vize-CEO Felix Vontobel, mehrmals; Rino Caduff; Giovanni Jochum; Präsident Eduard Rikli, vielfach; Martin Schmid, Roger Vetsch. Placi Berther; Regierungsrat Mario Cavigelli). Es gab viele Wortmeldungen in Generalversammlungen und Gespräche am Rande. Der vielleicht berühmteste und einflussreichste Klimaforscher der Welt erklärte es aufwändig schriftlich, mit Kopie an Kurt Bobst, und liess sich gewinnen, die Sache persönlich zu erklären — wer in Graubünden wollte den schon beachten? Mindestens zwei überzeugende Schweizer Wissenschafter erklärten das Problem mit dem Klima dem Präsidenten und den obersten der Geschäftsleitung der Repower direkt. Eine ganze Reihe von angesehenen Wissenschaftern, viele von ihnen Ökonomen, deklarierten ihre Warnung offen. Vergeblich.
Der Selbstbetrug mit der Versorgungspflicht
Die politischen Wegweiser hin zur freien Lieferantenwahl sind schon lange gesetzt. Das Ende einer Versorgungspflicht für privatrechtliche Unternehmen wie Repower ist seither absehbar. Sowieso sollte Versorgungspflicht oder -sicherheit für ein Unternehmen, das viel mehr Strom produziert, als es je zu liefern verpflichtet sein wird, kein Thema und keine Ausrede sein.
Dennoch verteidigte die Repower ihre Entscheidung für eine CO2-intensive Stromproduktion immer gerne mit der Begründung der Versorgungssicherheit. Und für die brauche es Bandkraftwerke, hiess es, obschon Repower nie behauptete, der Strom der geplanten Kohlekraftwerke in Norddeutschland und Süditalien würde in der Schweiz verkauft.
Der Irrtum mit der Bandenergie
Strom aus erneuerbarer Energie wurde im wichtigen Deutschland längst stark gefördert und hatte längst Priorität bei Einspeisung und Durchleitung. Es ist kaum möglich, energiepolitisch eindeutiger zu postulieren, dass die Erneuerbaren neu die Sockelenergie beisteuern. Die Atom-, Kohle- und Gaskraftwerke müssen nehmen, was ihnen der bevorzugte Strom aus erneuerbarer Energie vom Markt noch übrig lässt. Spätestens im Jahr 2000 wurde mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz implizit der Tod des Prinzips Bandkraftwerk deklariert und die Exekution beschlossen. Mehr als zehn Jahre später war Repowers Ideologie jedoch nach wie vor: Für Versorgungssicherheit braucht es Bandkraftwerke!
Paradoxerweise machten Bündner Kohlekraftbefürworter in Leserbriefen denjenigen, die schliesslich Repowers Kohleträume vereitelten, mehrfach den Vorwurf, „ideologisch“ fehlgeleitet zu sein. Wir werden wohl nie wissen, wer manche dieser Leserbriefe entwarf — ahnen lässt es sich wohl.
Die Lemmingstrategie
Als die Repower-Führung an der Generalversammlung 2010 gefragt wurde, warum das Unternehmen auf neue fossile Stromproduktionskapazitäten setze, erklärte der CEO Kurt Bobst, Repower sei hauptsächlich im Ausland tätig und die dortigen Energieunternehmen setzten auf fossile Kraftwerke. Repower wolle sich nicht sehr anders verhalten als die Konkurrenz, so Bobst. Im damals bereits veränderten Umfeld der Energiewirtschaft gleicht diese Richtungswahl derjenigen von Lemmingen. Bobsts Erklärungen zeugen davon, dass die Geschäftsleitung und der Verwaltungsrat — der für die strategische Ausrichtung zuständig sein sollte — schon damals keinen Ehrgeiz hatten, für Repower eine eigene Strategie zu denken. Dies obschon die Rätia Energie kein beliebiges Energieunternehmen war, und die Repower keines hätte werden müssen. Den Fehlern von Alpiq, E.on und vielen anderen nachzueifern, war unnötig gewesen, töricht sogar.
Die Notwendigkeit einer neuen Strategie
Unterdessen bestreitet auch Repower nicht mehr, dass sich die Rahmenbedingungen der Energiewirtschaft endgültig geändert haben, die „guten alten Zeiten“ vorbei sind. (Es soll bitte niemand glauben oder behaupten, Repower hätte dies nicht schon lange vorher erkennen können.) Fast alles hat sich in der Energiewirtschaft geändert. Nur, bei Repower sind die Personen weiterhin dieselben — abgesehen davon, dass einige Mitarbeiter das Unternehmen verliessen, manche wegen der geplanten Kohlekraftwerke.
Die Unfähigkeit eine eigenständige Strategie zu entwickeln
Phantasielos versucht Repowers Führungscrew erneut im Rudel zu rennen, erneut das zu tun, was die Grossen der Branche endlich tun wollen: Dienstleistungen statt Energie verkaufen. Dies obschon Repower dabei unterdessen denkbar schlechte Karten hat, denn der unternehmerische Spielraum ist wegen Übermut, groben Fehlern, verschwenderischem Investitionsverhalten und exorbitanten Verlusten sehr klein geworden. Es fehlt nun erstens das Geld für einen konsequenten Umbau des Unternehmens und zweitens muss angenommen werden, dass der Kanton Graubünden als wichtigster Aktionär einen ausreichend konsequenten Umbau nicht mittragen würde, denn dafür müssten noch verbleibende nicht strategische Werte veräussert werden, einschliesslich wahrscheinlich einiger Wasserkraftwerke, oder es müsste wohl neues Kapital eingeschossen werden.
Dreckstrom nein! Dienstleitungen ja?
Die ehemalige Gaz de France, kürzlich in Engie umbenannt, setzt nicht mehr auf Kohlekraft. Die Deutsche RWE versucht verzweifelt, sich von der erdrückenden Fixierung auf Dreckstrom zu lösen. E.on splittet das Unternehmen — soweit es noch darf. Die schwedische Vattenfall verkauft das Braunkohlegeschäft. Alpiq veräussert laufend Beteiligungen, primär solche mit fossilem Anteil, kürzlich ein Gaskraftwerk, aber auch Wasserkraftwerke. BKW und Alpiq tätigen laufend strategische Firmenakquisitionen.
Repowers Versuche, sich neu zu orientieren und sich als Dienstleister zu profilieren, wirken dagegen hilflos und bescheiden, gleichzeitig aktionistisch. Egal wie unbedeutend jede einzelne der vielen neuen Dienstleistungsaktivitäten des Bündner Stromkonzerns ist, sie wird zur Verteidigung des beschönigten aber absolut unschönen Gesamtbildes gelistet oder sogar im Geschäftsbericht prominent aufgeführt.
Die Projekte tragen klingende Namen wie ‚Verde Dentro‘ (Repower — ausgerechnet, die Firma, die sich mit Kohle die Hände dreckig gemacht hat — „bietet [ihren Kunden] bei der Positionierung als umweltbewusste Unternehmen Hand“); Palina („ist die formschön designte Ladestation für Elektrofahrzeuge“); Staffetta (ist ein Tarifmodell, bei dem der Preis nach sechs anfänglichen Monaten vom italienischen Energiebörsenindex abhängt). Unter dem Namen Chagall entwickelte Repower Italien ein Konzept zur Entwicklung von Projekten und gibt sich strategisch: „Derzeit sind vier grosse Initiativen gemäss dem Chagall-Ansatz in Entwicklung“, schreibt Repower. Sie heissen eFFettiva (Verbrauchsmonitoring und Energieberatung), DIODA (LED-Beleuchtung), BIG (grosse Kunden gewinnen) und VAMPA. In letzterem Projekt wertet die unterbeschäftigte Belegschaft in Repowers Gaskraftwerk, das kaum mehr läuft, Wärmebilder aus. Auf der Höhe der Debatten um die geplanten Kohlekraftwerke ging Repower dazu über, Murmeltiere zu bemühen, um die Verantwortung für umweltfreundliches Handeln den Konsumenten zuzuschieben. Ausserdem sollen Stromverbraucher ohne wesentliche Gegenleistung damit einverstanden sein, dass Repower ihnen gelegentlich die Wärmepumpe sperrt. Dieses Projekt heisst tiko, erfolgt in Zusammenarbeit mit der Swisscom und hat vom Bundesamt für Energie bereits als ‚Leuchtturmprojekt‘ Vorschusslorbeeren erhalten. Es ist innovativ aber auch gewagt, weil im Vergleich zum Nutzen sehr aufwändig.
Mit vielen, einzeln unbedeutenden Aktivitäten dieser Art lässt sich die Repower nicht retten. Jedoch drängt sich für die ehemalige Rätia Energie AG eigentlich der Versuch gar nicht auf, erneut Vorbildern wie Alpiq und BKW auf ihrem unsicheren Weg in die Zukunft nachzueifern — diesmal gezwungenermassen halbherzig.
Eine eigenständige Strategie läge nahe
Es fehlen der Repower-Führung weiterhin der Wille und die nötige Eingebung, das Unternehmen auf einen Weg zu bringen, der die beschränkten Voraussetzungen und Stärken berücksichtigt, auf Differenzierung und nachhaltige Gewinne setzt. Ein solcher Weg könnte darin bestehen:
- Auslagen für die Projektierung von neuen Wasserkraft- und Pumpspeicherwerken stoppen.
- Langfristig nicht strategische Werte zügig veräussern: Italiengeschäft, Gaskraftwerk, Beteiligungen an Atomkraftwerken, letztere notfalls auch dann, wenn draufgelegt werden muss.
- Festlegen, welche Wasserkraftwerke erneuert werden sollen, welche nicht. Nicht zu erneuernde und ökologisch problematische Wasserkraftwerke wenn möglich veräussern.
- Gehaltene Wasserkraftwerke wenn nötig ökologisch anpassen und bezüglich Wasserschutz und Umweltrecht einwandfrei betreiben — und damit werben.
- Verzicht auf das Geschäft mit Erdgas.
- Projektentwicklung und, soweit noch möglich, Investitionen in einen einzigen Sektor, der von Förderung begünstigten neuen erneuerbaren Energien, im Inland oder Ausland. Logisch wäre die Konzentration auf Solarenergie.
- Konsequente Kostenoptimierung, einschliesslich weitere örtliche Konzentration. Kürzungen sollten endlich auch vor Managersalären und Bonuszahlungen nicht halt machen.
- Transparentes und selbstbewusstes intensives politisches Einstehen für die Förderung der neuen erneuerbaren Energien (wenn substantiell in die neuen Erneuerbaren investiert werden kann; oder für einen hohen CO2-Preis, wenn viele Wasserkraftwerke erhalten werden sollen). Die Politik sollte gemeinsam mit dem Kanton Graubünden und anderen Kantonen und einigen anderen Energieunternehmen verfolgt werden. (Gegebenenfalls Einsatz für einen hohen CO2-Preis: zusammen mit Energieunternehmen in der EU.)
- Einstehen für eine schnelle Marktöffnung für alle Teilnehmer.
Eine solche Strategie könnte Repower auch bei anhaltend tiefen Strompreisen sehr lange durchstehen und würde das Ziel, nicht mehr so sehr von den Energiepreisen abhängig zu sein, mit grösserer Sicherheit erreichen, als mit dem wahrscheinlich zu spät angegangenem Versuch, das Unternehmen mit Dienstleistungsangeboten zu diversifizieren.
Die oben skizzierte Strategie wäre mit der Liberalisierung des Strommarkts kompatibel und Repower würde sich damit gegenüber anderer Energieunternehmen abheben.
Als kleines unter den grossen Schweizer Energieunternehmen könnte Repower davon profitieren, dass sich Stromkunden mit der Wahl von Ökostrom gerne ein gutes Gewissen verschaffen und bereit sind, dafür einen Mehrpreis zu bezahlen. In Zukunft werden sie aber einen Anbieter wählen können und werden vermehrt einen sauberen Produzenten wählen, nicht nur einen Teil des im Überfluss vorhandenen Stroms mit Ökolabel. Die politische Durchsetzung eines viel zu teuren oder zu wenig wirksamen Quotenmodells, das darauf setzt, dass sich ganze Länder mit Ökostrom ein gutes Gewissen zu verschaffen suchen, sollte als unrealistisch erkannt und nicht weiterverfolgt werden.
Der nächste Irrtum: Glauben an die Notwendigkeit der Wasserkraft und der Pumpspeicher
Der Preis für Strom aus solaren Freiflächenanlagen in Deutschland liegt bereits im Bereich der Stromkosten des von Repower geplanten Wasserkraftwerks Chlus. Der Preis für Solarstrom aus neuen Anlagen lag in den USA bereits 2014 bei durchschnittlich 5 US-Cents pro Kilowattstunde und war damit weniger als halb so teuer wie Strom aus einem neuen grossen Wasserkraftwerk in der Schweiz. Eine weitere Halbierung der Kosten von Solarstrom ist in absehbarer Zeit durchaus denkbar. Die Preise und Preisprojektionen für Strom aus Wind liegen ähnlich wie beim Sonnenstrom. Einem massiven Zubau von Wind- und Sonnenkraftwerken steht kaum etwas im Weg, auch auf die Gefahr von systematischer Überkapazität hin, denn, anders als Kurt Bobst es behauptet, und sich vielleicht wünscht, können (und müssen) Solar- und Windkraftwerke problemlos bei Bedarf gedrosselt werden. (Immer systematischer stellt die Sonnenenergie auch ohne Förderung selbst die fossile Energie in den Schatten und letztere weist eher tiefere Vollkosten der Stromproduktion auf als die Wasserkraft.)
Die neuen erneuerbaren Energien können bereits auch ohne Förderung billigeren und besseren Strom liefern als ein neues Wasserkraftwerk, denn die zeitliche Kongruenz von Angebot und Nachfrage ist bei Solar- und Windstrom eher besser als bei Laufwasserkraftwerken. Im Vergleich zur Laufwasserkraft liefert der Wind mehr Strom im Winter und die Sonne mehr Strom am Tag. Speicher-Wasserkraftwerke dürften nicht nur wegen der Stromgestehungskosten („17 bis 32 Rappen pro kWh“ [1]) kaum mehr gebaut werden — und sie sollten auch kaum mehr gesamterneuert werden. Speicherkraftwerke weisen oft einen grossen Laufwasseranteil auf, weil nicht alle Fassungen dem Speicher zufliessen oder weil die Kapazität des Speichersees beschränkt ist.
Die Fläche aller Speicherseen genügt, um den Stromverbrauch der Schweiz mit Sonnenenergie zu decken. Wenn sie für Speicherseen unter Wasser gesetzt werden konnte, kann diese Fläche (und mehr!) in der Schweiz leicht auch für Solaranlagen bereitgestellt werden. Die Anlagen müssen aber nicht in der Schweiz gebaut werden um den Fortbestand der Wasserkraft zu gefährden.
Es gibt keine Anzeichen und auch kaum Gründe, warum der Strompreis sich erholen sollte, auch mittelfristig nicht, eher im Gegenteil. (Graphik oben.)
Die Wasserkraft, das kann bereits mit Sicherheit gesagt werden, wird gegen die neuen Erneuerbaren dauerhaft einen sehr, sehr schweren Stand haben. Man würde darum denken, dass der Kanton Graubünden sein wichtigstes Elektrizitätswerk anweist, nicht einseitig und bedingungslos auf die Wasserkraft zu setzten — und auch sicher nicht auf Pumpspeicherkraftwerke, deren Realisierungschance auch langfristig sehr gering ist. Doch, wer das denkt, denkt doppelt zu viel: Kurt Bobst versucht den Kanton vom Gegenteil zu überzeugen: „Ohne Wasserkraft ist die Energiewende nicht zu haben!“, beteuert er auf Einladung unter der Rubrik «Saft und Kraft: die Bündner Energiezukunft» in der Südostschweiz. Und im Geschäftsbericht 2014 beurteilt Repower die Wasserkraft verklärend:
« Die Veränderungen in der Energiebranche müssen durch Innovationen getrieben werden. Die traditionelle Wasserkraft wird dadurch aber nicht obsolet – im Gegenteil: Sie ist die stabile Stütze, die mithilft, solche Innovationen erst zu ermöglichen. »
(Repower, Geschäftsbericht 2014)
Kostengünstige Überkapazität mit neuen Erneuerbaren, dezentrale Batterien oder ein Management der Last, was Repower zum Teil auch erprobt, könnten allein oder gemeinsam dazu führen, dass neue Pumpspeicher auf ewig unrentabel und also unnötig bleiben. Kurt Bobst hat die Pumpspeicher dennoch gerade wieder als „nötig“ bezeichnet. Der technische Bedarf dafür sei gegeben, schrieb er. Man muss sich fragen, was der Repower CEO damit meint und sagen will.
Eine eigentliche Kehrtwende der Repower würde ausser einer neuen Geschäftsleitung wahrscheinlich bedingen, dass der Kanton Graubünden seine Fixierung auf die Wasserkraft und Pumpspeicherkraftwerke abstreift. Graubündens Regierung müsste gewonnen werden, wenn sie nicht vorangeht. Es ist jedoch weder bei Repower noch beim Kanton ein Wille für eine echte Veränderung erkennbar, auch wenn die Zeit drängt.
Zu spät, weil zu träge
Wegen bescheidener Kompetenz im Verwaltungsrat und bei den Grossaktionären hat Repower die Tendenz, hinter den Trends herzuhinken. Dass ausgerechnet die Axpo, die ein noch eklatanteres Problem mit der Besitzerstruktur hat, der zweite Grossaktionär der Repower ist, macht die Situation nicht besser.
Den Einstieg in die Windenergie machte Repower viel zu spät und zu halbherzig, um sehr lukrativ zu sein. Auch beim Umpolen auf Dienstleistungen ist Repower im Vergleich zu etwa BKW und Alpiq spät und langsam unterwegs.
Als mit Abstand letztes Unternehmen der Schweiz hoffte die Repower noch auf Erfolg mit fossil-thermischen Kraftwerken im Ausland. Die Verspätung kommt sie teuer zu stehen. Aus dem Verkauf des Projekts Gaskraftwerk Leverkusen konnte Repower netto nur noch 850’000 Franken lösen. 12,5 Millionen Franken musste das Unternehmen wegen Leverkusen abschreiben, wegen Saline Joniche mindestens 33 Millionen.
Knappe Zeit verschwendet — und nun knappes Geld
Statt auf schnellen Wandel und Verkäufe setzt Repower in Italien weiterhin Geld und Managementkapazität mit der Projektierung des Kohlekraftwerks in Saline Joniche ein, obschon das Unternehmen nicht mehr investieren kann, sollte das Kraftwerk doch noch gebaut werden. Knappes Geld wird auch mit Werbung verschwendet — trotz rückläufigem Umsatz und mangelnder Perspektive in Italien. Die Situation und die weiter absehbare Entwicklung müsste Repower nun dazu bewegen, das Italiengeschäft insgesamt in Frage zu stellen. Wie es der Verwaltungsrat schon bis hierhin zulassen konnte, dass Repower Projektierungs- und Grundstückkosten für Saline Joniche trägt, die anteilig rund 10% der Baukosten des Kraftwerks entsprechen, ruft nach einer Erklärung. Es ist nicht übertrieben, solch verschwenderische Ausgaben als Missmanagement zu bezeichnen. Bei Repower hätte schon lange die Frage gestellt und ablehnend beantwortet werden sollen, ob sich der angezählte Konzern weiter solch kapriziöses Gebaren leisten kann. Repowers Italienchef Fabio Bocchiola scheint einen Freipass für kulturelle und teure kulturistische Präferenzen zu haben.
Egal in welchem Mass Repower Italien unter Bocchiolas Führung gegen überschwänglich gemachte Versprechen der Konzernleitung verstösst (Vereinbarung mit der Mafia schon 2008, weiterhin Zusammenarbeit mit einem Kohlekraftwerkbefürworter, dem die Behörden Verbindungen zur Mafia attestieren); egal wie eklatant die Italienbranche gegen die Behauptung aus dem Hauptsitz verstösst, sich stets an die Gesetze zu halten (eindeutiger mehrfach belegter Verstoss gegen das Monopolrecht); egal wie unmoralisch das Verhalten ist und angeblich „nicht toleriert“ werden kann (Martin Schmid), aber weiter toleriert wird (systematische und wiederholte Manipulation von Medien und Öffentlichkeit; Millionenklage zur Einschüchterung von privaten Gegnern); egal wie sehr und schnell das Italiengeschäft ins Minus rast: Repowers Verwaltungsratspräsident Eduard Rikli stellt sich unwissend und beschuldigt die Überbringer der unangenehmen Nachricht. Die Kantonsregierung kooperiert oder ist gutgläubig, bestreitet die Tatsachen und besänftigt die Medien. Letztere bleiben allzu oft unkritisch oder komplett untätig.
Problem Eduard Rikli
Nachdem die operative Führung ihre mangelnde Fähigkeit, vorausschauend zu handeln, wiederholt unter Beweis gestellt hat und jahrelang eine falsche Haltung an den Tag legte, die sie ohne kompletten Gesichtsverlust nicht revidieren kann; in einer Situation, in der die Grossaktionäre nicht willens oder nicht fähig sind, eine Neuausrichtung der Repower zu denken und zu bewirken, liegt die ganze Verantwortung auf dem Verwaltungsrat, besonders seinem Präsidenten Eduard Rikli. Dieser bleibt aber in seiner eigenen gescheiterten Haltung verhaftet und passiv, statt dass er die Konsequenzen ziehen würde, für sich oder Repower.
Riklis Problem ist: Auch er würde sein Gesicht verlieren, wenn er eine ausreichende strategische Neuausrichtung vorschlagen würde und die Geschäftsleitung neu besetzte. Die Repower war bislang nicht fähig, eine eigenständige Strategie zu entwickeln, weil ihr ein strategisches Management fehlte, das mit ausreichenden Ressourcen ausgestattet ist und eine ausreichende Distanz zum operativen Tagesgeschäft aufbauen kann. Neben dem Chief Executive Officer bräuchte es auch einen Chief Development Officer — oder einen kompetenten Verwaltungsrat, der diese Aufgabe übernimmt und sie ernst nimmt.
Neuausrichtung von Repower oder Rätia Energie
Im Gegensatz zu den Exponenten der aktuellen Führungsgremien, kann denjenigen, die vor Rikli und Bobst die oberste Verantwortung über die Rätia Energie AG trugen, ein gewisses Mass an Voraussicht attestiert werden. Als sich 2010 die Rätia Energie in Repower umfirmierte, gab es einen Namentausch: Gleichzeitig wurde auch eine Zuger Briefkastenfirma mit dem Namen Repower AG in Rätia Energie AG umgetauft. Diese Aktiengesellschaft hatte den inoffiziellen Zweck gehabt, den Namen Repower zu besetzen, der gegen Ansprüche des damals gleichnamigen, renommierten deutschen Herstellers von Windkraftwerken zu verteidigen war.
Jetzt sichert die ehemalige «Repower» den Namen «Rätia Energie». Dies wurde wohl wegen der aggressiven und riskanten Strategie der Repower beschlossen. Sollte Repower scheitern, würde sich das Unternehmen wieder in Rätia Energie umbenennen können. Wurde geahnt, dass die Repower wegen der projektierten Kohlekraftwerke (weswegen sonst?) ihren Ruf so sehr ruinieren würde, dass sich eine erneute Umbenennung, oder sogar die Rückbenennung in Rätia Energie aufdrängen könnte?
Es wäre an der Zeit, über eine solche Umbenennung nachzudenken. Die Rückbesinnung auf korrektes, und auch moralisch akzeptables Geschäftsgebaren ist längst überfällig. Die Rückbesinnung und Konzentration auf erneuerbare Energie wäre zeitgemäss und aussichtsreich.
[1]: Stromgestehungskosten von Speicher-Wasserkraftwerken (17 bis 32 Rappen pro kWh): VSE, Wege in die Stromzukunft, 2012 (S. 52), bzw. BFE, Energieperspektiven 2035, Juni 2007
Bericht zu diesem Kommentar: «Repower: Krise ist selbstverschuldet»