Die Repower plant den Verkauf ihres Gaskraftwerks und ihrer Atomkraft-Beteiligungen. Das Bündner Energieunternehmen würde damit zum grössten schweizerischen Energieunternehmen, das Strom ausschliesslich aus erneuerbarer Energie produziert. Solange das Unternehmen mit dem Kohlekraftwerk in Saline Joniche in Verbindung steht, bleibt Repowers Kehrtwende unglaubwürdig. Das Energieunternehmen hat bisher alle Versprechen, aus dem Projekt auszusteigen, gebrochen. Auch die Behauptung, die Projektgesellschaft SEI werde aufgelöst, bleibt neblig. Bisher weist kein objektives Anzeichen auf eine Liquidation hin. Weiterhin klagt Repowers Italienchef Fabio Bocchiola im Namen der SEI gegen Kraftwerksgegner in Kalabrien. Wird diese Klage nicht zurückgezogen, kann die Gesellschaft noch lange nicht aufgelöst werden. Warum das Bewilligungsgesuch für das Kohlekraftwerk nicht zurückgezogen wird, ist mysteriös.
Die Ankündigung des Bündner Energiekonzerns, Strom nur noch aus erneuerbarer Energie zu produzieren, ist sehr begrüssenswert. Repowers Ziele im Bereich der Energiedienstleistungen sind sehr hoch gesteckt, doch wer sollte etwas gegen Repowers Absicht haben, zu den ganz grossen Energieunternehmen zu gehören — wenn es um umweltfreundliche Energieeffizienz geht?
Will sie mit der neuen Strategie glaubwürdig sein, muss die Repower endlich die Altlast Kohlekraftwerk Saline Joniche hinter sich lassen.
Entgegen dem schon 2013 gemachten und immer wieder bestätigten Versprechen ist Repower nicht vor Ablauf des letzten Jahres aus dem Kohlekraftwerk-Projekt in Kalabrien ausgestiegen — bis heute ist es nicht geschehen. 1, 2
Den Ausstiegstermin anfangs 2016 hat die Repower verstreichen lassen, obwohl es bis dahin bereits viele Gründe gegeben hätte, das Projekt nicht nur zu verlassen, sondern es sogar zu beenden. 3
Regierungsrat Mario Cavigelli nannte im Dezember 2015 für die Repower einen neuen Ausstiegstermin und erklärte, das Unternehmen habe das Projekt ihren italienischen Projektpartnern angeboten. „Intern“ habe sich die Repower das Ziel gesetzt, nach dem 30. Juni (2016) die Auflösung der Projektgesellschaft zu beantragen, sollten die Partner diese Frist verstreichen lassen. 4
Repower weiterhin Mehrheitsaktionärin der SEI
Nun ist auch dieser zweite Ausstiegstermin verstrichen. Die Repower ist aber weiterhin mit 57,5% Anteil die Mehrheitsaktionärin der SEI S.p.A.
In der ordentlichen Generalversammlung vom 12. Mai erklärten allerdings der CEO Kurt Bobst und Repowers Präsident Eduard Rikli, die SEI werde liquidiert. Dies habe der Verwaltungsrat der Gesellschaft beschlossen.
Die jüngsten Entwicklungen in Italien, gemeint war der jüngste Gerichtsentscheid zugunsten von SEI/Repower, sei für diese Entscheidung nicht mehr von Belang. 5
Man würde denken, die Liquidation der SEI bedeute auch die Aufgabe des Projekts. Mehrfach wurde bei Repower angefragt, ob der Entschluss, die SEI zu liquidieren, das Ende des Kohlekraftwerks in Saline Joniche bedeute. Das Resultat, wie so oft: Keine Antwort.
Ob das Projekt Kohlekraftwerk in Saline Joniche von einer anderen Gesellschaft übernommen werde, hänge vom Liquidationsprozess ab, sagte Rikli schliesslich nach Anfrage an der ausserordentlichen Repower Generalversammlung vom 21. Juni.
Bei der gleichen Gelegenheit erklärte er, nicht zu wissen, ob das Bewilligungsgesuch bei den italienischen Behörden formal zurückgezogen werden muss, sobald die Aufgabe des Projekts beschlossen ist. 6
Offenbar will die SEI all diese Arbeiten und Entscheidungen dem Liquidator überlassen, der, so Rikli, bereits benannt sei.
Klage und Gesuch erschweren Liquidation
Warum allerdings die SEI nicht zuerst das Projektgesuch zurückzieht, um die Liquidation zu vereinfachen, bleibt im Dunkeln.
Und natürlich kann die SEI nicht liquidiert werden, solange der Prozess gegen die Aktivisten in Kalabrien läuft. Dieser Prozess ist praktisch aussichtslos, kann aber noch Jahre dauern. 7
Es wäre vernünftig, die Klage zurückzuziehen, aber Fabio Bocchiolas Ego scheint dem im Weg zu stehen.
Warum die Repower ihren Italienchef nicht anweist, die Klage als Hindernis aus dem Weg zu räumen, kann nur mit der Machtposition Bocchiolas innerhalb der Repower und mit dem schwachen Verwaltungsrat erklärt werden.
Während einiger Zeit konnte vermutet werden, dass sich die Repower erhoffte, das Projekt in Kalabrien noch verkaufen zu können und sich der Ausstieg deshalb verzögerte. 8
Repowers Kommunikation darüber, ob das Kohlekraftwerk einen Wert habe, war schon Ende 2013 inkonsistent, gelinde gesagt. 9
Zwischenzeitlich sollte allen Beteiligten klar geworden sein, dass das Projekt für ein Kohlekraftwerk in Saline Joniche wertlos ist.
Warum tut sich die Repower so schwer damit, ihre nun nur noch störende Kohlevergangenheit abzuschütteln? Es ist unergründlich.
Repowers Schwierigkeiten mit dem Ausstieg aus der Kohlekraft sind in der Schweiz kein Einzelfall. Auch die Alpiq tut sich damit schwer, sagt das Eine und tut das Adere. 10
Auch die Repower hat mit dem Projekt in Saline Joniche schon einmal ein Täuschungsmanöver vollführt als sie behauptete, das Bewilligungsverfahren sei sistiert. 11
Seit dem Ausstieg der Alpiq aus der Repower und der verlorenen Abstimmung im Herbst 2013 in Graubünden hat sich für das Unternehmen und für Graubünden als Grossaktionär einiges verändert. Auch die Haltung des Regierungsrats ist nicht mehr dieselbe, zumindest vordergründig. 12
Statt dass der Kanton Aktien verkaufen konnte, gab es eine Kapitalerhöhung — je nach Sichtweise war es ein Ausverkauf nach Zürich oder eine Rettungsaktion. 13
Neue Kohle nicht für altes Kohleprojekt
Repower hat jedenfalls nicht neues Kapital erhalten, um davon weiter für ein Kohlekraftwerkprojekt auszugeben, das bereits gegen 40 Millionen Franken verschlungen hat. Das Kapital sei dafür bestimmt, die neue (saubere) Strategie umzusetzen, schrieb das erweiterte Kartell der Grossaktionäre.
Sie nennen sich Ankeraktionäre, wobei die neuen, EKZ und UBS, mit Fug und Recht als Notanker-Aktionäre bezeichnet werden könnten.
„Dringender Liquiditätsbedarf“. Der EKZ CEO Urs Rengel und neue Repower Verwaltungsrat widerspricht dem scheidenden Präsidenten diametral (vgl. Anmerkung 13). | Sendung der RSI, Il Quotidiano, vom 21. Juni 2016. Ausschnitt.
Will sie mit der neuen Strategie glaubwürdig sein, muss die Repower endlich die Altlast Kohlekraftwerk Saline Joniche hinter sich lassen. 14
Auch eine personelle Flurbereinigung steht noch aus. Zwar mussten Rikli und viele andere Verwaltungsräte gehen, aber Wechsel auf der operativen Ebene der Geschäftsführung gab es bisher nicht. 15
Versprechen einhalten!
Versprechen einhalten! Bewilligungsgesuch und Klage zurückziehen! Diese Forderungen drängen sich nun auf. Eine erneuerte Geschäftsleitung soll die versprochene Wende vollziehen.
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Anmerkungen
Anmerkung 1
„Unter Berücksichtigung von vertraglichen Verpflichtungen wird der geordnete Ausstieg aus Saline Joniche spätestens bis Ende 2015 erfolgen“, schrieb Repower am 16.12.2013 in einer Medienmitteilung.
Anmerkung 2
„Was das Kohlekraftwerkprojekt Saline Joniche in Kalabrien betrifft, wird sich Repower bis spätestens Ende dieses Jahres [2015] vollständig aus dem Vorhaben zurückziehen und dabei die eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen einhalten“, schrieb Repower im Geschäftsbericht über das erste Halbjahr 2015 (auf Seite 11).
Anmerkung 3
Repower hätte das Projekt vor dem Beginn des Jahres 2016 nicht nur zu verlassen, sondern sogar beenden sollen, weil:
- die Stimmbürger Graubündens der Repower 2013 Investitionen in Kohlekraftwerke verboten und das Verbot im Jahr 2015 mit überwältigendem Mehr bestätigt haben.
- Repower seit dem Ausstiegsbeschluss (im Dezember 2013) mehr als 2 Jahre Zeit geshabt hätte, das Versprechen einzulösen.
- Repower zweifellos bei einem Bauentscheid des Projektkonsortiums SEI S.p.A. nicht mehr investieren könnte, denn Repowers Investitionsfähigkeit war damals nach eigenen Angaben schon eingeschränkt. 16
- Repower das Projekt in Kalabrien als aussichtslos einstuft und das Grundstück als unverkäuflich erachtet. Das Unternehmen hat das Projekt vollständig abgeschrieben. 17
- Das Graubündner Unternehmen hat auf dem Projekt bereits mindestens 33 Millionen Franken wertberichtigt. 18
- Repower hat mit dem Verkauf eines anderen Projekts schon einmal zu lange zugewartet. Für das Gaskraftwerk Leverkusen konnte das Bündner Energieunternehmen netto nur noch 850’000 Franken lösen. 12,5 Millionen mussten abgeschrieben werden. 19
Anmerkung 4
Die Südostschweiz berichtete am 10. Dezember 2015 über eine Stellungnahme des Regierungsrats im Bündner Grossen Rat so: „[…] Intern sei zwar alles für einen Verkauf [von Repowers Anteilen an der Projektgesellschaft SEI] vorbereitet, doch «rechtliche Schwierigkeiten» hätten nun zu einer Verzögerung geführt, erklärte Cavigelli. Als neue Zielgrösse für einen Verkauf der Beteiligung soll Repower intern den 30. Juli 2016 bestimmt haben. Falls die Partner von SEI diese Frist verstreichen lassen würden, werde Repower die Auflösung der Projektgesellschaft SEI beantragen, so Cavigelli. Repower hat ihre Beteiligung den Partnern bei SEI zum Verkauf angeboten.“ Gemäss dem Wortprotokoll der Dezembersession des Grossen Rates sagte Cavigelli: „Intern hat sich Repower die Zielgrösse gesetzt, dass sie noch bis 30. Juni 2016 maximal abwarten werde. Falls diese Frist verstreichen sollte, beantragt Repower die Liquidation der Gesellschaft SEI. “ (Spezifischer Auszug des Protokolls hier.) Cavigelli erwähnte den Brief der Repower an die SEI. 9
Anmerkung 5
Il Grigione Italiano berichtete am 12.3.2015: „Ogni nostro coinvolgimento nel progetto è terminato nel 2013 — così si è espresso Kurt Bobst, CEO die Repower — e da allora non ce ne siamo più occupati se non per gestire la nostra uscita. Al Governo avevamo chiesto tempo fino a fine 2015 per sbrigare le pratiche e disdire gli accordi che ci legavano ai nostri partner e così stiamo procedendo. Nei confronti dei nostri partner vogliamo ovviamente rispettare gli impegni presi a suo tempo. Questa sentenza, della quale per altro non conosciamo ancora i contenuti, non cambia assolutamente nulla per noi, tanto più che quanto avevamo investito nello sviluppo del progetto è già stato ammortizzato negli anni 2013 e 2014.“
Anmerkung 6
Es gibt bisher keine objektiven Anzeichen, dass die Liquidation formal eingeleitet worden wäre. Auf der Website des italienischen Umweltministeriums wird das Projekt in Saline Joniche weiterhin als aktuell verzeichnet.
Anmerkung 7
Repowers Italienchef, Fabio Bocchiola, hat Aktivisten, die sich in Kalabrien gegen das Kohlekraftwerk wehren, auf 4 Millionen Euro Schadenersatz verklagt. Der nächste Gerichtstermin ist demnächst (Juli 2016) — sofern er nicht, wie in Italien üblich, verschoben wird. Bis zur Urteilseröffnung kann es noch Jahre dauern. Informationen zur Millionenklage gegen die kalabrischen Aktivisten gibt es in diesen Artikeln: «Ursachen und Hintergründe der Millionenklage» und «Die umstrittenen Vergleiche». Repower hat sich im Zusammenhang mit dieser Klage bereits markant negativ profiliert, was in den Artikeln über die zweifelhaften Methoden der Bündner Repower «Lügen und verleumden» und «Leugnen von Fehverhalten» auf klimaatelier.ch beschrieben ist.
Anmerkung 8
Obschon das Projekt restlos abgeschrieben sei, 5 scheint sich der Bündner Energiekonzern noch Hoffnung auf einen substantiellen Gewinn mit der Veräusserung seines Anteils an der SEI gemacht zu haben oder macht sich sogar immer noch derartige Hoffnungen.
Tatsächlich beinhaltet das Protokoll der ordentlichen Generalversammlung der SEI vom 4. August 2015 die Aussage von Fabio Bocchiola, es gäbe noch eine gute Wahrscheinlichkeit, den Bewilligungsprozess zu Ende zu führen und die Investitionen durch eine Realisierung der Anlage zu zurückzugewinnen:
Alla luce di quanto sopra rappresentato, l’Amministratore Delegato [Fabio Bocchiola] ritiene che vi sia ancora una buona probabilità che l’intero iter autorizzativo della Centrale si possa ancora concludere positivamente. Per tale ragione, ed in considerazione delle stime del management circa i flussi attesi futuri di reddito ottenibili dalla realizzazione delle centrale a carbone, si ritiene che i costi capitalizzati siano recuperabili.
(Protokoll der SEI S.p.A. vom 4.8.2015)
Repowers Partner in der SEI hatten sich wohl nicht schnell entscheiden wollen, den Anteil der Repower zu übernehmen, denn lange hing mindestens ein Damoklesschwert über dem Projekt: Die Einsprache gegen den erfolgreichen Rekurs, mit welchem die Gegner des Kohlekraftwerks eine Teilbewilligung aufhoben, war lange in der Schwebe.
Der Rekurs gegen das Kraftwerk, war erst im Februar 2015 angenommen worden. Repower hätte den Projektpartnern schon im Dezember 2013 (oder besser im September 2013, nach der Annahme der Anti-Kohle Initiative in Graubünden) eine Frist setzen können, die, selbst wenn sie von langer Dauer gewesen wäre, deutlich vor dem positiven Entscheid über den Rekurs abgelaufen wäre. Es gibt gute Gründe zu vermuten, dass damals die Verkaufsaussichten für Repower besser gewesen wären, als sie es nach der Annahme des Rekurses geworden waren. Diese gerichtliche Auseinandersetzung ändere für Repower absolut nichts, behauptete Kurt Bobst noch im März 2015, wie der Grigione Italiano berichtete. 5 «Rechtliche Schwierigkeiten» hätten nun zu der jüngsten Verzögerung geführt, erklärte hingegen Cavigelli kürzlich der Südostschweiz. 4
Ein Fall von widersprüchlicher Kommunikation, nicht der einzige. 9,13
SEI/Repower hat kürzlich die gerichtliche Auseinandersetzung gewonnen: Am 5. Mai hiess das Verwaltungsgericht die Einsprache gegen die Rekurse gut und eiste damit den Bewilligungsprozess wieder los.
Anmerkung 9
Am 16. Dezember 2013, also am gleichenTag, an dem die Repower ihre Absicht, aus Saline Joniche auszusteigen, eindeutig den Medien und der Öffentlichkeit in der Schweiz mitteilte, schrieb die Repower der SEI, also ihren italienischen Partnern im Projektkonsortium, einen Brief. In diesem von Kurt Bobst und Giovanni Jochum unterzeichneten Schreiben steht, die Annahme der Initiative stelle für das Bündner Unternehmen keinerlei Verbot dar, das die Repower rechtlich daran hindern würde, Projekte für Kohlekraftwerke weiterzuverfolgen, in denen sie bereits aktiv sei. Einen Hinweis auf den eben getroffenen Ausstiegsbeschluss und –termin Ende 2015 findet sich im Brief an keiner Stelle. Die Repower schrieb ferner, sie habe unabhängig vom bekannten Ausgang der Anti-Kohle Abstimmung beschlossen, keinen neuen Beteiligungsgesellschaften für Kohlekraftwerke mehr beizutreten. Letztere Feststellung macht keinen Sinn, ausser es ging dabei darum, implizit zu bekräftigen, dass die Repower weiterhin an ihrer Absicht festhielt, in Saline Joniche zu investieren.
Die unterzeichnenden Mitglieder der Geschäftsleitung der Repower teilen der SEI mit, der Verwaltungsrat der Gesellschaft stehe voll und ganz zur Einhaltung bestehender vertraglicher Verpflichtungen mit den Kohlekraftwerk-Projektpartnern. Letztere Aussage wäre nicht überraschend, wenn im Zusatz nicht noch als Eventualität eine Beteiligung der Repower am Bau des Kraftwerks in Saline Joniche erwähnt wäre, die allerdings, so steht im Schreiben, den strategischen Absichten des Mehrheitsaktionärs (also des Kantons Graubünden) unterworfen wären. („[…] fermo restando che ogni eventuale coinvolgimento del Gruppo Repower nei futuri lavori di costruzione della centrale di Saline Joniche non potrà che essere soggetto e vincolato all indicazione strategice del proprio azionista di maggioranza.“)
Im Brief wird das Projekt gegenüber den Partnern als strategisch für den italienischen Elektrizitätsmarkt und von Wert für seine Aktionäre bezeichnet. Dabei wäre es schon damals im Interesse der Repower gewesen, auf die Beendigung des Projekts und die Auflösung der SEI hinzuarbeiten und den Partnern in der SEI zu erklären, wie sinnlos und kostspielig die Weiterentwicklung des Kohlekraftwerks Saline Joniche ist. Keine vernünftige Gesellschaft wird in dieses Kraftwerk investieren, denn das wirtschaftliche Risiko ist viel zu hoch. Warum also schlechtem Geld noch gutes und immer knapperes Geld nachwerfen?
Die nun auf einen guten Ruf bedachte Repower hätte mit Vorteil gleich auf eine Beendigung des Projekts hingearbeitet, den Partnern in der SEI zu diesem Zweck klaren Wein eingeschenkt und redlich kommuniziert: Das Projekt ist wertlos und sollte beendet werden.
Eine weitere im Brief gemachte Feststellung lässt aufhorchen: „Als Mehrheitsaktionär Ihrer Gesellschaft [der SEI] teilen wir Ihnen mit, dass unser Engagement für die Entwicklung und für die finanzielle Unterstützung der Aktivitäten betreffend der Erlangung der Baureife des Kraftwerks von Saline Joniche gemäss den vertraglichen Bestimmungen weitergehen können wird.“ („Vi cominichiamo pertanto, quali soci di maggioranza della Vostra società, che il nostro impegno per lo sviluppo e per il supporto finanziario alle attività volte al raggiungimento della Cantierabilità della centrale di Saline Joniche potrà continuare secondo le previsioni contrattuali.“)
Es ist sehr seltsam, dass die Repower in der Schweiz an einem denkwürdigen Tag den Ausstieg aus dem Projekt in Saline Joniche verkündete und an exakt demselben Tag den Partnern im Kohlekraftwerkkonsortium ein gegenteiliges Signal kommunizierte. Kurz darauf erklärte Repower im Jahresbericht wiederum, das Projekt sei wertlos. 17
Ein Fall von widersprüchlicher Kommunikation, nicht der einzige. 8,13
Vielleicht spekulierte die Repower damals noch mit der Möglichkeit, die Bestätigungsabstimmung vom Juni 2015 würde das erste Abstimmungsergebnis vom September 2013 aufheben. Am 14. Juni 2015 bestätigten die Bündner Stimmbürger aber ihren Willen sehr deutlich, dass kein Bündner Energieunternehmen in Kohlekraftwerke investieren soll.
Anmerkung 10
Repowers Hin und Her mit der Kohlekraft ist in der Schweizer Energiewirtschaft nicht einzigartig. Die Alpiq hatte in finanzieller Not und unter heftiger Kritik, die auch die Rolle als damalige Grossaktionärin der Repower nicht ausliess, angekündigt, ihre Braunkohlekraftwerke in Tschechien zu verkaufen. Umgesetzt ist der Entschluss bis heute nicht, sondern aufgehoben. Zumindest einem ausländischen Journalisten erklärte die Alpiq bereitwillig, die Stromproduktion aus Braunkohle habe wieder einen festen Platz in ihrem Geschäft.
Kritik wegen Repowers Kohlekraftwerkprojekten anlässlich von Alpiqs Medienkonferenz 2012. | Bericht von Südostschweiz TV. Ausschnitt.
Der Verdacht drängt sich auf, dass Alpiqs Absicht, aus der Kohleverstromung auszusteigen, nicht nur vorübergehend, sondern auch halbherzig gewesen war, denn der grösste Schweizer Stromkonzern hatte einen so unrealistisch hohen Preis gefordert, dass niemand sehr ernsthaft erwog, ihn zu bezahlen. („Yet a sale was not concluded, and the Czech interests of the group are now once again part of the business.“, Energo Week, 23. April 2014, Seiten 3 bis 5; Wegen zu hoher Preiserwartung, vgl. Aargauer Zeitung: Alpiq findet keine Käufer für tschechische Kohlekraftwerke)
Anmerkung 11
2008 schrieb das Unternehmen, eine Realisierung des Kohlekraftwerks in Saline Joniche sei unwahrscheinlich, sistierte das Bewilligungsverfahren und schrieb ein erstes Mal Millionen an Investitionen in die Projektierung ab. In Kalabrien jubilierten die Gegner des Kraftwerks. Das Projekt sei mit Pauken und Trompeten besiegt, schrieb einer der Gegner, Michelangelo Tripodi, erfreut. (Er wurde anschliessend von Repower verklagt, weil er hinzufügte, das Unternehmen habe mit den Kräften der Unterwelt kooperiert. Repower verlor den Prozess — sehr zu recht, wie die Öffentlichkeit unterdessen in Italien von den Medien informiert wurde.) In Wirklichkeit entwickelte die Repower das Projekt unbeirrt weiter, und setzte den Bewilligungsprozess praktisch ohne Unterbruch fort.
Anmerkung 12
Ganz anders als vor der ersten Abstimmung, als ihm kein Argument zu exotisch war, um einen Erfolg der Initiative zu verhindern, stand vor der zweiten Abstimmung auch Regierungsrat Mario Cavigelli auf der Seite der Kohlegegner — wenigstens vordergründig. Es war eine kommunikative Spitzkehre gewesen, über die man schon damals staunen durfte. Cavigellis wunderbare Verwandlung findet mit der jüngsten strategischen Kehrtwende der Repower eine spektakuläre Fortsetzung.
Die Ankündigung der Repower, Strom nur noch aus erneuerbarer Energie erzeugen und mit Energiedienstleistungen ganz gross werden zu wollen, riecht auffällig nach einem Versuch Cavigellis, sich nach aussen als umweltbewussten und weitsichtigen obersten Repower-Manager darzustellen. Entsprechend kommentierte er Repowers Kehrtwende im Bündner Tagblatt: „Wir freuen uns über die neue Strategie“.
Trotz Annahme des Anti-Kohle Artikels 83a durch die Stimmbürger von ausnahmslos jeder Bündner Gemeinde im Juni letzten Jahres, ist die Verfassung des Bergkantons noch nicht angepasst. Der Regierung ist die Anpassung der Verfassung offenbar unwichtig.
Dass sich die Repower von ihrem Gaskraftwerk in Teverola trennen will, ist weder überraschend noch einzigartig. Die Alpiq devestiert ihre fossil-thermischen Aktiven mit ziemlicher Konsequenz, konnte aber zuletzt aus dem Verkauf des fast neuen 408 Megawatt Gaskraftwerks Bayet, Frankreich, nur 45 Millionen Euro lösen — wahrscheinlich etwa 10 Prozent des investierten Betrags. Repowers Mehrheitsanteil von 244 Megawatt in Teverola dürfte das Liquiditätsproblem des Bündner Energieunternehmens auch nur wenig verbessern. Es ist für Repowers Eigner ein schwacher Trost, dass ein grosser Teil der Investition in Teverola bereits wertgemindert ist.
Die Neuigkeit, die Repower wolle sich auch von ihrer Beteiligung an den Atomkraftwerken Bugey und Cattenom (beide Frankreich), sowie Leibstadt und Gösgen trennen, kann dagegen als grössere Überraschung bezeichnet werden. Obschon die Firma aus den bestehenden AKW-Anteilen jährlich substantielle rund 330 Gigawattstunden bezieht — rund halb so viel wie die Produktion der eigenen Wasserkraftwerke — wollte die Repower ihre AKW-Beteiligungen noch aufstocken. Das war vor Fukushima gewesen, als ein Neubau von AKW in der Schweiz plausibel erschien. Eduard Rikli, war auch nach Fukushima ein überzeugter Befürworter von Atomkraftwerken. Wie sehr der Repower-Grossaktionär Axpo am Uralt-Kraftwerk Beznau festhält, ist bekannt. Nun soll sich ausgerechnet die Repower von ihren AKW-Anteilen trennen, für die wohl kaum ein Energieunternehmen Geld ausgeben will. Ob die Repower plant, für die Abspaltung der AKW-Beteiligungen von ihrem knappen Geld welches draufzulegen, und wenn, wieviel, ist nicht bekannt. Die Frage, ob es dafür ein Budget gebe, wollte Edurard Rikli an seiner letzten Generalversammlung nicht so richtig beantworten.
Die AKW-Ausstiegsankündigung der Repower dürfte kaum ohne äussere Anregung beschlossen worden sein. Wie viel oder wenig Ernsthaftigkeit hinter der Absicht steckt, werden wir erst wissen, wenn Repowers AKW-Beteiligung verkauft ist — sofern es je stattfindet.
Ein allfälliger Verdacht, der markante Strategiewechsel könnte selbstmotiviert sein, wäre eine Illusion. Eher wurde die Wende aufgrund von äusserem Druck angekündigt. Es gab finanzielle Not bei Repower und politischen Druck auf die Regierung — mehr als die wenig ernst zu nehmende und die wichtigsten Sachverhalte ausser Acht lassende Stellungnahme der SVP Graubünden zum Thema Verkauf von Repower Aktien. (Anders als es die SVP suggeriert, haben Laissez faire und ideologische Verblendung die Repower in die Krise gleiten lassen; Die Gegner des Kohlekraftwerks haben, wenn überhaupt, die Repower vor einer Katastrophe bewahrt, nicht etwa geschädigt; Wegen eines Aktionärsbindungsvertrags, dessen Existenz seit dem Verkauf der Repower Aktien durch Alpiq öffentlich bekannt ist, änderte die Mehrheit der Aktien in der Hand des Kantons nichts an der Stellung Graubündens im Kartell der Grossaktionäre.)
Dabei könnte die Kehrtwende, besonders die vollständig erneuerbare Stromproduktion, mit gutem Grund selbstmotiviert sein, wie in diesem Artikel schon vor Repowers Verkündung der strategischen Wende dargelegt wurde.
Mario Cavigelli äussert sich in diesem Videoausschnitt des Stromkongress 2016 über die politische Stimmung, die von der Energiewirtschaft eine saubere Stromproduktion verlangt. Er bezeichnet es als den zentralen Punkt, auf den man sich in der Energiewirtschaft vernünftigerweise ausrichten muss.
Die Repower plante, in zwei Kohlekraftwerke zu investieren und hätte das auch getan, wenn sie nicht gehindert worden wäre. Cavigelli agierte dabei auf Repowers Seite, wollte den Bau der Kohlekraftwerke unbedingt zulassen, wobei eines der Projekte bereits aufgegeben worden war, als die Diskussion um die Anti-Kohle Initiative in Graubünden ihren Höhepunkt erreichte. Die meiste Kapazität für die Produktion von Strom hat Repower im Gaskraftwerk Teverola. Gemäss Absicht und aktuellem Kraftwerksportfolio produziert die Repower rund doppelt so viel Strom aus Gas und Uran, wie aus erneuerbarer Energie, oder würde es jedenfalls wollen.* Es ist „diese Divergenz, dieses Nichtübereinstimmen zwischen Wahrnehmung und Realität“, die zeigt, wie wenig sich Cavigelli selbst an den Wahrheiten orientiert. Er beschönigt den Konzern. Er lügt.
Worauf er seine feste Überzeugung stützt, die Schweiz sei in Sachen sauberer Strom „Musterschülerin in Übertreibung“, ist mysteriös, zeigt aber Cavigellis Haltung bezüglich der sauberen Stromproduktion.
Wenn er sagt: „Man möchte [Kohle- Gas- und Atomkraftwerke] nicht und wenn ein Unternehmen hier ist, dann muss man entweder bereit sein, sich anzupassen oder aufzugeben und ich glaube, dass man in diesem zentralen Punkt sich nach der schweizerischen und gesellschaftlichen politischen Vorstellungen ausrichten muss, das ist vernünftig“, belegt Cavigelli ebenfalls, dass seine eigene Überzeugung immer noch eine andere ist. Vordergründig ist eine gewisse Einsicht beim Bündner Regierungsrat angekommen. Daraus auf eine veränderte innere Haltung der Graubündner Regierung, der Geschäftsleitung und des Verwaltungsrats der Repower zu schliessen, wäre voreilig. | Videoaufzeichnung Stromkongress 2016, Ausschnitt. | Kompletter Beschrieb mit Transskript.
* Produktion der Mehrheitsbeteiligung Gaskraftwerk Teverola: Die 1500 GWh sind in der Broschüre Repower auf einen Blick 2011 festgehalten. Kurt Bobst hatte an einer Präsentation im November 2010 sogar 2000 GWh genannt. Die jüngere Produktion ist bescheidener: 750 GWh gemäss Repower auf einen Blick 2015, was zweifellos nicht dem Plan entspricht. Repowers aktuell geringe Stromproduktion aus Erdgas liegt nur daran, dass das Kraftwerk in Teverola kaum in Betrieb ist, was die Beurteilung und Bewertung von Repowers Produktionsmix erschwert, worüber schon berichtet wurde. Dass Repowers Hauptgeschäft der Handel mit Erdgas ist, und sekundär derjenige mit Strom irgendeiner Qualität, wurde durch ein Diagramm in diesem Beitrag dargestellt.
Gleichzeitig mit der neuen strategischen Ausrichtung kündigte die Repower an, ihre Aktien würden bald nicht mehr an der Börse gehandelt. In der Folge brach der Kurs ein— von etwa 80 auf unter 40 Franken. (Im zweiten Quartal 2011 war der Kurs bei über 500 Franken gelegen.) Der Einbruch scheint weder für den Kanton Graubünden noch für die Axpo ein Problem zu sein. Diese beiden Grossaktionäre wollten substantiell Aktien verkaufen — allerdings nicht an der Börse. Auch um diesen Transfer zu erleichtern, schien sich die Repower neu auszurichten. Könnten Politiker, die sich vor der Abstimmung über die Anti-Kohle Initiative dafür stark machten, dass die Repower frei von politischer Einflussnahme bleibt, gerade Einfluss auf den Energiekonzern genommen haben, wie nie zuvor? Mario Cavigelli wäre ein weiterer solcher Trick zuzutrauen.
Mario Cavigelli äussert sich in diesem Videoausschnitt über die Perspektive eines neuen Repower-Grossaktionärs: „[…] Wir würden es sehr begrüssen, wenn fachliches Knowhow durch einen dritten Aktionär dazukommt. Diese strategische Zielgrösse peilen wir nach wie vor an und es ist denkbar, dass sich das in absehbarer Zeit dann auch ergibt. Ob die Zeiten günstig sind oder nicht, ist je nach Position, die man hat, natürlich unterschiedlich zu beurteilen. Als Investor mit etwas auf der rechten Hintertasche kann man sich gut fragen, ist jetzt nicht die Zeit für Abseits da, wenn man lange Zeithorizonte hat. Der Markt ist am Boden, die Gesellschaften sind wenig wert, man kann vielleicht günstig einsteigen. […]“ Unterdessen gab es statt eines Aktienverkaufs eine Kapitalerhöhung und zwei neue „Ankeraktionäre“. | Videoaufzeichnung des Stromkongress 2016, Ausschnitt.
Anmerkung 13
Darüber, ob die Kapitalerhöhung primär eine zwingende Rettungsaktion war, oder ein kluger Schritt, um den Umbau des Konzerns zu finanzieren, gehen die Stellungnahmen von Leuten mit Einsicht diametral auseinander:
Der damals noch amtierende Verwaltungsratspräsident Eduard Rikli behauptete am 11. Juni in der Südostschweiz, die Repower habe keine unmittelbaren Liquiditätsprobleme gehabt. (Rikli: „Dieser Begriff [Grounding] suggeriert, dass man unmittelbare Liquiditätsprobleme hätte. Das ist bei Repower nicht der Fall. Insofern ist der Begriff nicht besonders günstig gewählt.“)
Am 9. Juni, also fast zeitgleich, publizierte Il Grigione Italiano ein Interview mit dem Gemeindepräsidenten Poschiavos, Alessandro Della Vedova, der sagte, die Repower wäre ohne diesen Schritt der Regierung fast mit Gewissheit zerschlagen worden. („Senza il passo intrapreso dal Governo, Repower si sarebbe quasi certamente sgretolato e i posti di lavoro, molti dei quali nella nostra regione, sarebbero andati persi.“)
Am Rand der ausserordentlichen Generalversammlung, welche die Kapitalerhöhung formal absegnete, sagte der EKZ CEO Urs Rengel im Interview mit der RSI genau das Gegenteil dessen, was Rikli zehn Tage zuvor hatte verlauten lassen: Die Repower hatte dringenden Liquiditätsbedarf.
Ein Fall von widersprüchlicher Kommunikation, nicht der einzige. 8,9
Fakt ist: Die Kapitalerhöhung konnte nicht bis nächstes Jahr warten.
Anmerkung 14
Wir dürfen gespannt sein, ob die Repower diesmal Wort hält und ihre angekündigte Wende vollzieht. Einen Termin für die Umsetzung der neuen Strategie mit hundertprozentig erneuerbarer Stromproduktion hat das Bündner Energieunternehmen diesmal wohlweislich nicht genannt.
Anmerkung 15
Ohne Änderung von Repowers Führung bleibt auch die Hoffnung auf einen echten Wechsel von Repowers Mentalität bescheiden. Die Skrupellosigkeit sei mit der Führung geblieben, kommentierte der Autor in einem Leserbrief. Immerhin wird nun mit dem Eintritt neuer Grossaktionäre Eduard Rikli den Verwaltungsrat verlassen und es hätte wohl kaum jemand Verständnis dafür, wenn die Geschäftsleitung anschliessend nicht auch erneuert würde.
Anmerkung 16
Im Artikel Repower verhandelt mit China Power schrieb die Südostschweiz am 8. Dezember 2015 über die jüngste Entwicklung betreffend des Pumpspeicherprojekts Campolattaro (Zitat:) Man sei von dem Projekt zwar nach wie vor überzeugt, erklärte [Repowers Mediensprecher] Steinmann. «Doch unsere Investitionsfähigkeit ist wegen der Marktlage eingeschränkt.»
Anmerkung 17
„Mit einer einbringlichen Verwertung des für das Kohlekraftwerk vorgesehenen Grundstücks wird nicht mehr gerechnet. Es erfolgte eine Wertberichtigung für das mit dem Projekt Saline Joniche in Verbindung stehende Grundstück“, schrieb Repower im Jahresbericht 2013 auf Seite 86. Und auf Seite 112: „Aufgrund des unsicheren Marktumfelds und der zukünftig weiterhin befürchteten niedrigen Energiepreise würden Dritte derzeit von einer eher geringen Wahrscheinlichkeit der Umsetzung des Projekts ausgehen und dies in ihrer Kaufpreisfindung entsprechend berücksichtigen, mit der Folge, dass sie dem Projekt keinen materiellen Wert zurechnen würden.“
Anmerkung 18
Vgl. «Repowers Krise ist selbst verschuldet»
Anmerkung 19
Vgl. Seite 21 des Halbjahresberichts 2015 der Repower zum Nettoerlös aus dem Verkauf des Projekts Gaskraftwerk Leverkusen.